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Die Entschlüsselung der Proteine – Ein Schritt in Richtung personalisierter Medizin?

4. Mai 2015

Die genetische Forschung soll sie ermöglichen: die personalisierte Medizin. Passende Therapien, zugeschnitten auf den einzelnen Patienten, seine Gene und seine Proteine. Ist die Forschung mit der Entschlüsselung der Proteine diesem Ziel näher gekommen? Darüber sprechen wir mit Prof. Martin von Bergen, Proteomforscher am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung.

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DW: Jetzt ist es zum ersten Mal gelungen, fast alle Eiweiße zu bestimmen Haben wir mit der Entschlüsselung der Proteine tatsächlich schon das Rätsel des Lebens geknackt? Kann man das so sagen?

Martin von Bergen: Ich fürchte, das ist noch nicht so. Aber wir sind einen großen Schritt weiter. Die Abdeckung der Messungen ist so groß, dass man jetzt tatsächlich von der Gesamtheit der Proteine sprechen kann.


Aber damit weiß ich ja eigentlich nur, welche Anzahl und welche Proteine es gibt und tatsächlich müsste ich doch das Zusammenspiel verstehen?


Das ist dann der nächste Schritt. Im ersten Schritt muss man herausfinden, welche Proteine in welchen Mengen da sind. Die Menge ist nicht gleich deren Funktion, aber es ist der Anhaltspunkt welche Proteine wirksam sein könnten.


Wie kompliziert wird es, das Zusammenspiel zu erforschen?

Das ist mindestens 10 mal so kompliziert, weil bei dem Zusammenspiel der Proteine auch noch zeitliche und örtliche Faktoren in der Zelle eine Bedeutung haben.


Dann heißt es ja, dass jede Zelle zumindest in jedem Organ unterschiedliche Proteine entwickelt. Also müssten wir eigentlich alle Körperzellen zumindest in jedem Organ untersuchen?

Das ist zu einem großen Teil hier schon geschehen. In einer sehr großen Abdeckung von 27 verschiedenen Organen und Körperflüssigkeiten ist das bereits erfolgt. Mit dieser Studie können wir jetzt bereits über alle Organe hinweg die Anwesenheit verschiedener Proteinen vergleichen.

Nun hatte man in der Genomik - und daraus ist auch die Proteomik entstanden - schon die Hoffnung gehabt, daraus ganz viele Therapien entwickeln zu können. Welche Hoffnung gibt es jetzt, dass wir aus der Kenntnis der Proteine tatsächlich Therapien entwickeln können?


Das Problem damals war absehbar, weil Gene eben nur die Blaupause für die Proteine darstellen, die dann nachher tatsächliche Aktivität in den Zellen entfalten. Und diese Aktivität ist es, die auch über Wohl und Wehe der Zellen entscheidet. Wenn ich aber jetzt weiß, welche Proteine eine Bedeutung haben, dann kann ich auch aufgrund der Anwesenheit oder der Aktivität von Proteinen die Therapie gestalten.


Das heißt man muss vielleicht gar nicht mehr so viel untersuchen, sondern nur ganz gezielt nach einzelnen Proteinen suchen.


Zunächst braucht man immer noch Protein-Profile. Aber Sie haben recht, es wird sich in der Zukunft auf einzelne Proteine fokussiert, die dann auch gezielt, einfach und in einem hohen Maßstab, gemessen werden können.


Das heißt wir sind mit der Proteomik auf dem Weg zu einer personalisierten Medizin?

Auf jeden Fall.


Wie weit ist die noch weg?


Da möchte ich nicht spekulieren, das ist dann doch etwas zu weit weg. Aber ich glaube die ersten Schritte werden Messungen sein, die entscheiden, welche Therapie in einzelnen Fällen angewendet kann. Und da wird es um Krankheiten gehen, wo einzelne Proteine entscheidend sind für die Wirksamkeit der Therapie. Und ich glaube die ersten Fälle dieser Art werden schon in den nächsten Fünf Jahren auftauchen.


Und wird mir dann noch ein Arzt gegenüber sitzen oder ein Computer?

Eigentlich geht es um Big Data - wahnsinnig viele Daten, die da erfasst und verarbeitet werden.


Ja, aber hinten raus kommen einzelne Proteine die einen Vorhersagewert für den Erfolg der Therapie haben. Und das muss man entsprechend so aufarbeiten, dass auch der Arzt es dem Patienten vermitteln kann.


Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, Herr von Bergen.

(Interview: Ingolf Baur)