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Die Eltern kommen nicht zurück

2. Januar 2004

Die Folgen des schweren Erdbebens im Iran sind längst nicht ausgestanden. Zwar kommt die internationale Hilfe in Gang – doch der Gesundheitssektor liegt am Boden. Und hunderte Kinder suchen noch immer ihre Eltern.

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Viele Kinder in Bam haben ihre Eltern verlorenBild: AP

Die Hilfsmaßnahmen kommen immer besser voran. Eine Woche nach dem Erdbeben vom 26. Dezember 2003 wurde mit dem Bau einer von drei Zeltstädten begonnen – sie sollen zusammen etwa 40.000 Menschen Zuflucht bieten. Elf Feldlazarette stehen schon jetzt bereit. Doch es geht nicht nur um körperliche Gesundheit. Durch das Chaos wurden Familien auseinander gerissen. Kinder stehen plötzlich alleine da – viele haben ihre Eltern für immer verloren.

Krankenschwester als Ersatzmutter

Wie zum Beispiel die kleine Mahdieh. Sie kam wenige Stunden nach dem verheerenden Erdbeben im Südosten Irans auf die Welt. Ihre Mutter, die bei der Katastrophe in Bam einen Wirbelsäulenbruch erlitt, starb kurz nach der Entbindung. Ihr Vater gehört ebenfalls zu den rund 28.000 Todesopfern, die bereits geborgen wurden. Jetzt kümmern sich Krankenschwestern im Kinderzentrum von Kerman um das Waisenkind.

Ihren Namen erhielt Mahdieh von Zahra Mirnadschafi. Der Krankenschwester kommen die Tränen, wenn sie an das Schicksal des kleinen Mädchens denkt. "Sie hat nie ihre Mutter gesehen",schluchzt Mirnadschafi. Dann füttert sie den Säugling aus der Flasche.

Nach amtlichen Angaben werden mindestens 1500 minderjährige Waisen bis auf weiteres in ähnlichen Zentren versorgt wie in Kerman, knapp 200 Kilometer nordwestlich von Bam. In einem der buntdekorierten Räume sitzen etwa drei Dutzend Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren. Die meisten haben bei dem Erdbeben auch körperliche Verletzungen erlitten - von Hautabschürfungen über Prellungen bis zu Knochenbrüchen.

Hoffen auf das Unmögliche

Immer wieder fragen die Kinder nach ihren Eltern. Sie wissen noch nicht, dass sie diese nie wiedersehen werden. "Meine Eltern wohnen in Bam. Sie werden mich bestimmt bald abholen", sagt die sechsjährige Atefeh Rasmi. Eine der Krankenschwestern stürzt daraufhin aus dem Raum und bricht draußen in Tränen aus. Atefeh bleibt indessen zuversichtlich und legt mit einer anderen Schwester ein Puzzle zusammen. Andere Kinder spielen mit den Puppen oder Spielzeugautos, die ihnen zur Verfügung stehen.

Einige der Kinder scheinen doch zu spüren, welchen Verlust sie erlitten haben. "Mami, Mami", schluchzt ein dreijähriges Mädchen ununterbrochen. Sie ist schier untröstlich. "Wir versuchen, diesen Kindern die Eltern zu ersetzen", sagt die Kinderärztin Nuschin Mirhosseini.

Der Schock hat den Namen verschüttet

Leicht wird das sicherlich nicht. Rund 1500 Kinder wurden laut dem staatlichen Wohlfahrtsverband nach dem Erdbeben ohne Mutter oder Vater aufgefunden. "Von einigen befinden sich die Eltern im Krankenhaus, aber die meisten haben ihre Familien verloren. Wir müssen sie jetzt irgendwie großziehen", sagt der Leiter der Behörde, Mohammed Resa Rahtschamani.

Und selbst wenn die Eltern noch am Leben sein sollten, ist die Zusammenführung der Familien schwierig. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF erklärte, 30.000 Menschen seien aus Bam geflohen – Aufenthalt unbekannt. Andere Angehörige stünden unter Schock und seien in den Notunterkünften inmitten der Trümmer nur schwer auffindbar. Und viele der Kinder seien zu traumatisiert, um überhaupt ihren Namen sagen zu können. (reh)