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Die Diplomatie der Kirche

Carola Hossfeld4. Juni 2004

Mit Nachdruck mahnte der Papst vor einem Präventivkrieg gegen den Irak. Davon abhalten konnte er US-Präsident Bush nicht, aber er hat dem Vatikan Respekt verschafft. Und vielleicht auch einen Glaubenskrieg verhindert.

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Der Vatikan: Im Irakkrieg so politisch wie seltenBild: AP


Die Politiker müssten "Nein" sagen zu diesem drohenden Krieg, wurde Papst Johannes Paul II. nicht müde zu wiederholen. "Der Irak ist das Land der Propheten, das durch mehr als zwölf Jahre Embargo bereits erschöpft ist. Krieg ist niemals ein Mittel, das man wählen könnte, um Differenzen zu klären", erklärte er mit Nachdruck.

Kirchen in Sorge

Bereits am 20. Januar 2003 lehnte die katholische Deutsche Bischofskonferenz einen Präventivkrieg kategorisch ab. Sie räumt aber zugleich ein, dass das Regime von Saddam Hussein eine Gefahr für die Internationale Gemeinschaft darstellt- weshalb die UNO auf den Irak Druck ausüben solle, um dort die Produktion von Massenvernichtungswaffen zu verhindern. "Ein Präventivkrieg, der von vermuteter existentieller Bedrohung ausgeht, kann sittlich nicht erlaubt sein", sagt der katholische Bischof von Trier, Reinhard Marx. "Denn was bewirkt ein Krieg? Er darf nichts Schlimmeres bewirken als er verhindern möchte."

Die Kirchen sind in Sorge, dass die gesamte Region des Nahen Ostens destabilisiert wird und vielleicht sogar noch terroristische Aktivitäten befördert werden in anderen Teilen der Welt. Auch der Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland sagt kategorische "Nein". Aber weder die protestantische Vorsitzende der CDU aus Ostdeutschland, Angela Merkel, noch der katholische CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber setzen sich öffentlich ernsthaft mit der Position ihrer Kirchen zur Irak-Frage auseinander.

Das Sendungsbewusstsein von George W. Bush

Mit Skepsis sehen die katholischen und evangelischen Kirchen sowie auch Religionsführern anderer Glaubensgemeinschaften die religiös verbrämte Sprache des amerikanischen Präsidenten. Beim Nationalen Gebetsfrühstück mit Politikern bat der US-Präsident um "die Weisheit zu wissen und zu tun, was richtig ist, und um Gottes Frieden in den Angelegenheiten der Menschen". In der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus sieht der gläubige Methodist Bush, dessen eigene Kirche einen Irak-Angriff ablehnt, eine "Zeit der Prüfung" für die USA.

"Die Welt in Gut und Böse einzuteilen ist nicht christlich", wettert der renommierte katholische Theologe und Gründer der Stiftung Weltethos, Hans Küng. "Dieser Präsident hat kein göttliches Mandat erhalten, um zu bestimmen, wer die Guten und wer die Bösen sind. Um dann überall in der Welt das Böse auszurotten." Von der Glaubenslehre gedeckt wäre dies sowieso nicht. "Zwar hat jeder Gläubige das Recht, sich von Gott zu einer Aufgabe berufen zu fühlen. Aber programmatisch-imperiale Machtpolitik ist nicht göttliche Sendung", so Küng. "Gott lässt sich selbst von einer Supermacht nicht einspannen."

Der politische Papst

Die vatikanische Diplomatie arbeitete lange Zeit auf Hochtouren, um den geplanten Angriff auf den Irak in letzter Sekunde noch zu verhindern. Hochrangige Politiker gaben sich im Vatikan die Klinke in die Hand. Iraks Vize-Premier Asis, ein chaldäischer Christ, wird vom Papst empfangen. Ebenso wie der deutsche Außenminister Joschka Fischer - nach seiner Begegnung mit Johannes Paul II. spricht er sichtlich bewegt vom "Heiligen Vater" - und der britische Premierminister Tony Blair. Der päpstliche Emissär Kardinal Roger Etchegeray trifft im Irak mit Saddam Hussein zusammen, Kurienkardinal Laghi übergibt dem US-Präsidenten am 5. März eine persönliche Botschaft des Papstes.

Den Beginn des Angriffs auf den Irak ohne UN-Mandat bedauern die Kirchen als Ausdruck des Scheiterns der Politik. Es ist jedoch das Verdienst von Johannes Paul II., dass die arabische Welt den "Kreuzzug" von George W. Bush gegen die "Achse des Bösen" nicht als Kreuzzug des christlichen Westens verstanden hat. (Beitrag vom 11.12.2003)