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Die Bären kommen!

26. Dezember 2001

Das Vordringen von "Weihnachtsbären" scheint unaufhaltsam. Wissenschaftler in Jena untersuchen seit Jahren die Zunahme der Plüschgefährten in der Adventszeit.

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(Fast) immer mit dabei: Der Bär zu WeihnachtenBild: AP

Die vorweihnachtliche Spielwiese bunter Figuren ist sichtlich durcheinander geraten. Zwischen Christkind, Puppen und Weihnachtsmann drängelt sich seit einigen Jahren immer stärker der Bär in den Vordergrund. Seine ursprünglichen Attribute wie Stärke und Macht hat er längst abgelegt. Zumeist kommt er als knuddeliger Sympathieträger daher - in Plüsch und Keramik, auf Karten oder Adventskalendern, als Kerze oder auf Geschenkpapier.

Von Sankt Nikolaus hat er die rote Zipfelmütze. Im Himmelsschlitten mit den rotnasigen Rentieren erinnert er an amerikanische und mit heiteren Artgenossen unterm Weihnachtsbaum an europäische Traditionen. Zu den Höhepunkten in diesem Jahr gehören weiße Plüschbären mit Engelsflügeln und auf Grußkarten ein himmlischer Reigen tanzender Teddys mit Heiligenschein.

Ein neuer Zweig weihnachtlicher Alltagskultur

Für die Jenaer Volkskundlerin Christel Köhle-Hezinger ist die "Verbärung der Weihnacht" in vollem Gang. Vor drei Jahren hat die Wissenschaftlerin die anhaltende Invasion auf sanften Sohlen zum Gegenstand seriöser Forschungen erhoben. Das löste anfangs ähnliche Irritationen aus wie ihre "Dino"-Forschungen Anfang der neunziger Jahre. Doch inzwischen haben Untersuchungen auf Thüringer Weihnachtsmärkten ihre These bestätigt.

"Adventsbären sind in Deutschland nachweisbar seit 1981 heimisch", so die Lehrstuhlinhaberin für Volkskunde an der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität. Eingedrungen seien sie "nach Bärenart" - listig, pfiffig und schlau: Erst in das Kinderzimmer, dann in die Adventskalender und schließlich in das ganze weihnachtliche Universum. Mit dieser "Unterwanderung" habe sich zugleich ein selbstständiger Zweig der weihnachtlichen Alltagskultur entwickelt, erläutert Köhle-Hezinger und verweist auf die unübersehbaren Beispiele in Deko und Design.

Christkind in Gefahr

Der anhaltende Erfolg der Bären sei ein ähnlicher Einschnitt im Brauchtum wie der Weihnachtsmann im Deutschland des 19. Jahrhunderts, sagt sie. Damals gab der Maler Moritz von Schwind (1804-1871) mit seiner Zeichnung "Herr Winter" der Hauptfigur aus dem Kinderlied "Morgen kommt der Weihnachtsmann" von Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) eine konkrete Gestalt. Das traditionelle Christkind blieb jedoch von der neuen Figur nahezu unbehelligt.

Bei den Bären indes könnte das auf lange Sicht anders sein, gibt Köhle-Hezinger zu bedenken. Denn das alte Sagentier, das in Mythologie und Religionen von jeher faszinierte und immer auch als unheimlich galt, habe als "Weihnachtsbär" seinen einstigen Schrecken völlig verloren: "Das Böse wird verkuschelt." Darin spiegele sich nicht zuletzt ein Zeitgeist, der nur noch Schönes und Helles wahrnehmen möchte und Unangenehmes verdränge, so die Wissenschaftlerin. (pf)