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Berufsschule von Atarot

3. Februar 2010

Vor 45 Jahren wurde die palästinensische Berufsschule in Atarot gegründet. Sie galt als Vorzeigeprojekt. Der Sechstagekrieg 1967 folgte, Atarot fiel an Israel und beinahe wäre sie zerstört worden. Doch es gibt sie noch.

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Jugendlicher Palästinenser in der Berufsschuke Atarot (Foto: DW/Marx)
In Atarot können sich Palästinenser zu Schreinern ausbilden lassenBild: DW/Bettina Marx

Wasfi Tamimi steht im Flur der palästinensischen Berufsschule von Atarot zwischen Jerusalem und Ramallah. An der Wand hängen alte Schwarz-Weiß- Fotografien, die die 45-jährige Geschichte der Schule dokumentieren. Direktor Tamimi zeigt auf ein Bild, das den jordanischen König Hussein in jungen Jahren zeigt, umringt von zahlreichen Herren in dunklen Anzügen. "Dieses Bild wurde am Gründungstag der Schule aufgenommen", erzählt Tamimi. "König Hussein von Jordanien hat die Schule eröffnet. Damals haben wir 750 Kilo Fleisch für 200 Gäste zubereitet und 300 Kilo Reis."

Checkpoint Kalandia (Foto: DW/Marx)
Die Berufsschule Atarot liegt in der Nähe vom Checkpoint KalandiaBild: DW / Bettina Marx

Zwei Jahre nach der Eröffnung der Schule, im Jahr 1967, brach der Sechstagekrieg aus. Israel besetzte das Westjordanland und annektierte Ostjerusalem. Atarot mit seinem kleinen Flughafen kam unter israelische Herrschaft. Nur die Berufsschule blieb palästinensisch, eine winzige Enklave, die heute mitten in einem israelischen Industriegebiet liegt, in unmittelbarer Nähe des Checkpoints Kalandia, dem Zugang zur Westbank-Metropole Ramallah. Schulleiter Tamimi zeigt auf den nächsten Bilderrahmen, der ein Dokument enthält und erklärt: "Und hier ist der erste Kontakt mit Deutschland nach dem Krieg. Sehen sie den Brief, er trägt das Datum vom 4. Januar 1989. Damals war der deutsche Botschafter hier und hat die Schule besucht."

Unterstützung kommt aus Deutschland

Schon bei der Gründung hatte Deutschland die Schule unterstützt, im Sechstagekrieg jedoch brach der Kontakt ab und wurde erst 22 Jahre später wieder aufgenommen. Heute unterstützt der Deutsche Entwicklungsdienst die Schule mit mehreren Entwicklungshelfern. Einer von ihnen ist Uwe Zimmermann aus Brandenburg. "Ich wollte schon immer gern im Ausland arbeiten und meinen beruflichen Horizont ausweiten", sagt er. Außerdem habe er schon immer Spaß daran gehabt, andere auszubilden. Und so habe er sich auf eine Anzeige des DED beworben. Er wurde angenommen und in die Palästinensergebiete geschickt.

Seit fünf Jahren lebt er nun mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Ostjerusalem. Jeden Tag fährt er hierher ins Industriegebiet von Atarot und unterrichtet Metallverarbeitung. Er ist stolz auf das, was die Berufsschule den jungen Schülern bietet. Geräte, an denen sie lernen können; Computer, um komplizierte Vorgänge zu simulieren; einen Multimediaklassenraum, den der DED finanziert hat. Hier gibt es einen Beamer und eine Leinwand, Computer und Werkzeugkästen. Jeder Schüler hat sein eigenes Werkzeug, mit dem er sein Handwerk erlernt.

Uwe Zimmermann lehrt an der Berufsschule Atarot (Foto: DW/Marx)
Uwe Zimmermann lehrt an der Berufsschule AtarotBild: DW / Bettina Marx

Voller Stolz führt Zimmermann die moderne CNC-Fräsmaschine vor, an der die Schüler ausgebildet werden. "Das ist eine einfache Ausführung speziell für die Ausbildung", sagt er. Die CNC-Technologie sei noch neu in Palästina und nur wenige Firmen hätten solch hochwertige Maschinen. Das werde sich aber in einigen Jahren ändern und daher gäbe es viel zu tun bei der Ausbildung des Nachwuchses.

Viele unterschiedliche Ausbildungen

Metallverarbeitung ist nur einer der Ausbildungszweige, die die Berufsschule von Atarot anbietet. In der Halle nebenan lernen junge Männer das Schreinerhandwerk. Tief beugen sie sich über die Holzstücke, an denen sie arbeiten. An der Wand der Werkstatt stehen die mit orientalischen Ornamenten reich verzierten Holztüren, die sie angefertigt haben, es riecht nach Holz und Sägespäne.

Adnan Natshe in der Berufsschule Atarot (Foto: DW/Marx)
Adnan Natshe bildet die Jugendlichen zu Elektrikern ausBild: DW / Bettina Marx

Im nächsten Raum wird nicht gehämmert und gefeilt. Hier ist nur das Gemurmel der Schüler zu hören, die an elektrischen Schalttafeln sitzen. Sie werden von Adnan Natshe zu Elektrikern ausgebildet. Der palästinensische Lehrer zeigt die mit unterschiedlicher Technik ausgestatteten Arbeitstische, die es den Schülern ermöglichen, japanische, amerikanische und deutsche Elektrotechnik kennenzulernen. "Diese Geräte wurden uns vom DED zur Verfügung gestellt", sagt er. "Sie erlauben es uns, die Studenten verschiedener Niveaus zu unterrichten, von der Sekundarstufe bis zur Hochschulausbildung." Die Schulabgänger könnten sich durchaus mit ihren Kollegen im besser entwickelten Israel messen, erklärt Natshe stolz. So hätten zwei seiner ehemaligen Schüler eine Stelle in Jerusalem gefunden, die ihnen ein gutes Einkommen sichere.

Lernen ohne Jobaussicht?

Fast 300 Schüler lernen an der palästinensischen Berufsschule von Atarot. Neben Metallverarbeitung, Schreinerei und Elektrikerausbildung bietet sie den ausschließlich männlichen Schülern die Ausbildung zum Heizungsmonteur oder Installateur an, zum Radio- und Fernsehtechniker und zum Computerspezialisten. Auch Gastronomie wird unterrichtet. In einem leerstehenden Hotel lernen die jungen Männer, wie man Gäste bedient, wie man die Zimmer pflegt, wie man kocht und wie man eine Rezeption versieht. Echte Gäste allerdings gibt es nicht. Die haben keine Chance, hierher durchzukommen, in diese kleine palästinensische Enklave mitten in einem israelischen Industriegebiet. In den palästinensischen Hotels in Ostjerusalem und Bethlehem jedoch ist man froh, ausgebildete Fachkräfte von der Berufsschule Atarot einstellen zu können.

Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Diana Hodali