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Die Balten fühlen mit den Georgiern

Jan Pallokat14. August 2008

In den drei baltischen Staaten werden die Ereignisse in Georgien aufmerksam verfolgt - aus historischen Gründen. Die Staaten eint eine jahrzehntelange Erfahrung: die Zwangsmitgliedschaft in der Sowjetunion.

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Russiche Panzer auf dem Weg nach Georgien (09.08.2008/AP)
Balten und Georgier eint die Angst vor MoskauBild: AP

Der estnische Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo spricht wohl vielen Landsleuten aus der Seele, wenn er sagt: "Mir tut es schrecklich leid für die Georgier. Ich kenne die Leute, ich weiß, dass sie demokratisch gesinnt sind und dass sie gern noch mehr Teil der westlichen Wertefamilie werden wollen als sie es eigentlich ohnehin schon sind." Die Balten spüren in diesen Tagen die Nähe zu den Georgiern und fühlen mit ihnen. Doch auch Beklemmung ist in den baltischen Hauptstädten Tallin oder Riga dieser Tage zu spüren. Denn die Bilder von russischen Truppen in Georgien lassen die Erinnerung an russische Panzer im eigenen Land wieder aufleben. Erst 1999 verließen die letzten russischen Truppen Lettland.

Eine Frage bewegt die Balten zurzeit besonders: Wenn Russland jetzt anderswo in ein kleines Nachbarland einmarschiert, wann kommen sie dann wieder zu uns? Sie stellen sich diese Frage auch wegen des Arguments, mit dem Moskau den Waffengang am Kaukasus unter anderem rechtfertigte: Es gelte russische Staatsbürger zu schützen. So etwas muss in Tallin und Riga die Alarmsirenen schrillen lassen, denn noch immer gibt es vor allem in Estland und Lettland große russisch-stämmige Minderheiten. Insbesondere entlang der russischen Grenze stellen sie vielfach die Mehrheit.

Die Angst vor Moskau sitzt tief

Russicher Panzer mit Soldaten (09.08.2008/AP)
Die Esten glauben, dass Moskau an der Wiederherstellung der Hegemonie arbeitetBild: AP

Doch schon immer hatte Moskau sich wortgewaltig eingemischt, wenn es zu Konflikten zwischen den Volksgruppen an der Ostsee kam. Nach estnischer Lesart bastelt Moskau seit dem Machtwechsel von Jelzin hin zu Putin an der Wiederherstellung der Hegemonie in seiner unmittelbaren Nachbarschaft und zwar mit allen Mitteln: Drohungen, Gewalt, Unterstützung und Instrumentalisierung von Separatisten und russophilen Minderheiten, Wirtschaftsdruck und Energielieferstopp.

Wer bei der aktuellen Eskalation in Georgien letztlich den ersten Stein geworfen habe, sei vor diesem Hintergrund unbedeutend, so der estnische Verteidigungsminister Aaviksoo. "Verurteilen und Namen nennen kratzt nur an der Oberfläche. Wir wissen einwandfrei, die Russen bereiteten eine gewaltsame Lösung des Konflikts vor. Wie es wohl auch Pläne in Georgien gab, ihn gewaltsam zu lösen. Wir sahen die Dohnen niedergehen, wir sahen die Schusswechsel und die Provokationen seit Monaten, die zusätzlichen Truppen in Abchasien zur Reparatur der Eisenbahn. Heute wissen wir wozu."

Die Balten fühlen mit Georgien

Kriegerdenkmal in Estland (01.05.2007/EPA)
Erst 1999 haben die letzten russischen Trupppen Estland verlassenBild: picture-alliance/dpa

Aaviksoo verstehe die Frustration der georgischen Freunde: Sie erlebten gerade, dass 16 Jahre nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums ein sogenannter gefrorener Konflikt noch weiter festfriere. "Und keinen im Westen interessiert es." Auch die Balten fühlten sich in all den Jahrzehnten hinter dem Eisernen Vorhang im Stich gelassen vom Westen, allenfalls die Amerikaner schienen sich nach ihrer Wahrnehmung für ihre Freiheitssehnsucht zu interessieren. Das erklärt vielleicht, warum sich vier Staaten schon bald nach dem Ausbruch des Konfliktes ausdrücklich hinter die georgische Führung stellten: die drei Baltenländer und Polen.