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„Die Aufnahmefähigkeit der EU muss erfüllt sein“

16. März 2006

EU-Politiker debattieren weiter über eine mögliche Erweiterung der Union in Richtung Westbalkan. Im Interview mit DW-RADIO spricht EU-Parlamentarier Elmar Brok über alte Versprechen, Zweifel und nötige Veränderungen.

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Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-ParlamentBild: Presse

DW-RADIO: Herr Brok, die Europäische Union hat noch einmal die Zusage von Thessaloniki vor drei Jahren bekräftigt, alle Balkanstaaten sollen irgendwann in die Europäische Union aufgenommen werden. Halten Sie diesen Kurs für richtig?'

Elmar Brok: „Nun, dies ist versprochen worden, aber es ist deutlich geworden, welche Bedingungen da sein müssen. Jedes Land muss für sich die Bedingungen erfüllen. Und dann ist es so deutlich gesagt worden, wie selten zuvor: Es muss die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union erfüllt sein. Selbst wenn ein Land alle Bedingungen erfüllt und die Europäische Union ist nicht reif, aufgrund des Mangels an Entwicklung im institutionellen Bereich, im Rechtsrahmen, im finanziellen Bereich, dann muss das abgelehnt werden."

Wann wäre die Europäische Union denn aufnahmefähig? Nur mit einer EU-Verfassung oder auch ohne?

„Der gegenwärtige Zustand reicht jedenfalls nicht aus. Ob man die Verbesserung über eine Verfassung erreicht oder über einen anderen Weg, ist in grundsätzlichen Fragen gleichgültig. Aber wir müssen sehen: Es muss dann bessere Entscheidungsprozeduren geben, wir müssen eine höhere Handlungsfähigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik haben und wir müssen ein höheres Maß an Transparenz und Bürgerbeteiligung haben, wenn im Inneren eine solche Fortentwicklung getragen werden soll. Und das ist bisher in der Verfassung vorgeschlagen. Einen besseren Vorschlag gibt es bisher nicht.“

Der französische Außenminister hat gewarnt, man dürfe die Erweiterung nicht zu schnell machen und vor allen Dingen nicht an den alten Mitgliedsländern vorbei. Man müsse auch die Zustimmung der Völker haben. Wie sehen Sie das? Ist der bisherige Kurs zu schnell gewesen?

„Diese zehn Länder, die am 1. Mai 2004 Mitglied geworden sind, waren unumgänglich - aus historischen Gründen, wegen des Falls von Mauer und Stacheldraht. Aber wir haben gesehen, dass dieses nicht mehr getragen wird, weil es auch intransparent ist. Die Regierungen machen nicht deutlich gemacht, wo der Vorteil liegt. Kosten-Nutzen-Analysen der Regierungen liegen nicht vor. Sie müssen endlich die Wahrheit sagen, welchen Nutzen es bringt, ökonomisch und politisch. Und: Die Regierungen haben bisher versagt, die Europäische Union selbst voranzubringen. Die Verfassung war die Hausaufgabe, um die Erweiterungsfähigkeit um diese zehn Länder zu Stande zu bringen. Und wir sind eigentlich in der inneren Entwicklung hinter dem zurück, was notwendig wäre, die 25iger-Gemeinschaft funktionsfähig zu halten. Hier müssen die Mitgliedsstaaten endlich Kohle auflegen."

Das Interview führte Bernd Riegert

DW-RADIO/Brüssel, 12.3.2006, Fokus Ost-Südost