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Lockerbie

6. Juli 2010

Der wegen seines bevorstehenden Todes begnadigte Lockerbie-Attentäter könnte zehn Jahre länger leben. Das vermutet der Arzt, der ihm im ersten Gutachten eine Lebenserwartung von drei Monaten prognostiziert hatte.

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al-Megrahi bei seiner Ankunft in Tripolis nach seiner Begnadigung im August 2009Bild: AP

Fast ein Jahr nach seiner Begnadigung ist der Lockerbie-Attentäter Abd al-Basset al-Megrahi immer noch am Leben. Mehr noch, der für das damalige Gutachten verantwortliche Arzt Karol Sikora vermutet, dass der Libyer noch weitere zehn oder zwanzig Jahre leben könnte. Ursprünglich hatte er dem krebskranken Mann eine Lebenszeit von drei Monaten prognostiziert. Seine Prognose sei beschämend, zitierte ihn die Sunday Times in ihrer jüngsten Ausgabe.

Bei der Begnadigung von al-Megrahi im August 2009 war sein baldiger Tod ein Hauptargument gewesen. Er sollte in seiner Heimat sterben dürfen, aus humanitären Gründen, begründete seinerzeit der schottische Justizminister Kenny MacAskill die Freilassung.

Der Sunday Times zufolge war der Arzt Karol Sikora der einzige Experte, den die libyschen Behörden finden konnten, um al-Megrahi eine Lebenserwartung von drei Monaten zu bescheinigen. Die Gutachten von zwei weiteren Experten, die von 19 Monaten ausgingen, wurden nicht berücksichtigt.

Mehrere Verdächtige

Lockerbie
Wrackteile der PanAm- Maschine in der Nähe vom schottischen Städtchen LockerbieBild: AP

Im Dezember 1988 explodierte eine Boeing 747 der US-Fluggesellschaft PanAm über dem schottischen Städtchen Lockerbie. Bei dem Anschlag starben alle Insassen der Maschine und mehrere Einwohner am Boden, insgesamt 270 Menschen.

Mehrere Spuren führten unter anderem zu militanten Palästinenserorganisationen und in den Iran. Die Iran-Theorie geht davon aus, dass der Anschlag eine Vergeltung für den Abschuss einer iranischen Passagiermaschine durch ein amerikanisches Kriegsschiff wenige Monate zuvor gewesen ist. Gestützt wird die Theorie durch einen übergelaufenen iranischen Geheimagenten. Er wurde jedoch vor keinem Gericht angehört.

Doch schuldig gesprochen wurde allein der ehemalige libysche Geheimdienstoffizier al-Megrahi. Ein Gericht in den Niederlanden verurteilte ihn 2001 zu einer lebenslangen Haft.

Zweifelhaftes Urteil

Muammar Abu Minyar al-Gaddafi
Muammar al-Gaddafi, Libyens MachthaberBild: dpa

2003 erkannte Libyen formal die Schuld für den Lockerbie-Anschlag an und zahlte den Hinterbliebenen 8 Millionen US-Dollar pro Familie. Als Folge wurden die UN-Sanktionen und die US-Handelssanktionen aufgehoben. Von libyscher Seite hieß es später immer wieder, das Land habe der Milliarden schweren Abfindung zugestimmt, um sich von den internationalen Sanktionen frei zu kaufen.

Aber auch al-Megrahi hatte seine Schuld stets bestritten und legte zwei Mal Berufung gegen das Urteil ein. Seinem zweiten Berufungsantrag wurde stattgegeben. Eine Untersuchungskommission hatte Zweifel an wichtigen Beweisstücken geäußert, die zu seiner Verurteilung geführt hatten. Kurz vor seiner Begnadigung zog er jedoch seine zweite Berufung zurück. Für Kritiker war das ein Indiz dafür, dass mit der Begnadigung al-Megrahis ein neuer Prozess verhindert werden sollte.

Autor: Bachir Amroune

Redaktion: Dirk Bathe