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Pleite als Erwerbsquelle

21. September 2011

Allein im ersten Halbjahr 2011 gingen rund 15.000 Unternehmen pleite. Hinzu kamen fast 69.000 Privatinsolvenzen. Attila von Unruh hat nach seiner eigenen Pleite die "Anonymen Insolvenzler" ins Leben gerufen.

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Symbolbild Pleite

Schuldner würden zu lange warten, bis sie den Antrag auf Zahlungsunfähigkeit stellen, meint die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker. Der volkswirtschaftliche Schaden betrage etliche Milliarden Euro. Viele Insolvenzen würden auch nicht optimal bearbeitet. Oft werde durch falsche oder zu schnelle Liquidation weiterer Schaden verursacht.

Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU (Foto: CDU/CSU-Fraktion)
Elisabeth Winkelmeier-BeckerBild: CDU/CSU-Fraktion

Die Christdemokratin ist Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Dort wird gerade ein Gesetz vorbereitet, um Insolvenzen zu erleichtern – für Schuldner und für Gläubiger. So soll es etwa Anreize für Schuldner geben, früher in die Insolvenz zu gehen. Auch die Qualifikation von Richtern und Insolvenzverwaltern müsse auf den Prüfstand, so Winkelmeier–Becker.

Persönlich gescheitert?

Die geplanten Änderungen betreffen Attila von Unruh nicht mehr. Er hat 2005 den Insolvenzantrag gestellt. Der Schritt sei für ihn befreiend gewesen, erinnert sich der 51-Jährige aus der Nähe von Köln: "Da wusste ich, jetzt habe ich Land in Sicht. Es gibt eine Perspektive und in sechs Jahren bin ich schuldenfrei."

Von Unruh war Teilhaber einer Event-Marketing-Agentur und hatte sie verkauft. Als allerdings der Käufer pleiteging, traf es auch ihn. Er haftete mit einer persönlichen Bürgschaft in Höhe von 300.000 Euro. Und dieses Geld wollte die Bank damals sofort zurück. Lange habe er geglaubt, irgendwie zahlen zu können. Später dann habe er nur noch gehofft, dass alles irgendwie gut ausgeht. Als Unternehmer habe er viele Krisen gemeistert, doch die Schlinge zog sich nach und nach immer enger zu. Irgendwann habe er sich dann allerdings eingestehen müssen, dass es so nicht weitergehen könne. Ein langer und schwieriger Weg lag hinter ihm, als von Unruh einen Insolvenzantrag stellte.

Gesellschaftlich ausgegrenzt

Attila von Unruh (Foto: DW)
Attila v. UnruhBild: DW/ Möderler

Die Scham war groß. Das Scheitern war wie ein allgegenwärtiges Zeichen - immer da, und es markiert nicht selten auch den Weg in die Einsamkeit. Auch die Frage nach der Schuld oder Verantwortung, wie von Unruh sagen würde, stellt sich.

In Deutschland gilt die Insolvenz nach wie vor als der "bürgerliche Tod des Kaufmanns". Auch Attila von Unruh hat sein Insolvenzverfahren als Horror erlebt. Fühlte er sich beim Einreichen des Insolvenzantrages noch irgendwie erleichtert, so änderte sich das schlagartig während des Verfahrens. Seine Bank beispielsweise habe sich geweigert, ihm ein Konto einzurichten. Häufig gebe es auch Probleme mit dem Telefon- oder dem Stromanbieter. Und wenn jemand - bedingt durch die Insolvenz - eine neue Wohnung brauche, dann stünden die Chancen sehr schlecht, einen neuen Mietvertrag zu bekommen, berichtet von Unruh.

Pleite als Gesprächsstoff

Symbolbild Bankrott
Wer erst einmal bankrott ist, hat auch bei der Bank keine Chance mehrBild: picture-alliance/ dpa

In dieser Zeit gründet von Unruh aus eigener Betroffenheit einen Gesprächskreis in Köln, die "Anonymen Insolvenzler". Mittlerweile gibt es Gruppen in ganz Deutschland, die Nachfrage ist groß. Beraten werden Menschen vor oder auch in einer Insolvenz. Zu Attila von Unruh kommen die Chefs von gestrandeten Betrieben, Gesellschaften und Unternehmen. Sie alle wollen reden, verstanden werden und sich informieren, von Unruh kann viel aus eigener Erfahrung berichten. Neben dieser ehrenamtlichen Tätigkeit arbeitet er als selbstständiger Unternehmensberater. So hat er, der ehemals insolvente Unternehmer, aus seinem persönlichen Scheitern gleich zwei Neuanfänge gemacht.

Autorin: Petra Nicklis
Redaktion: Hartmut Lüning