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Die Angst der Europäer vor Arbeitslosigkeit

Monika Lohmüller2. August 2005

Für die Deutschen ist die Zahl von fünf Millionen Arbeitslosen ein Schreckgespenst. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren ist groß. Deutschlands Nachbarn haben ähnliche Probleme, kommen aber besser klar.

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Für viele Deutsche deprimierend: Die Suche nach einem ArbeitsplatzBild: AP

Ein holländischer Korrespondent hat die "deutsche Krankheit" einmal so beschrieben: "Deutschland ist ein Land geworden, in dem viele unglücklich sind und keine Arbeit mehr haben. Wenn sie aber einen Job haben, möchten sie am liebsten so kurz wie möglich arbeiten." Was ist los im Staate Deutschland, in dem die Stimmung schlecht ist und es unter den Politikern kaum noch Männer und Frauen gibt, die wirklich sagen, wo es lang geht? Die hohe Arbeitslosigkeit scheint das Land zu lähmen. Es kenne heute jeder einen Arbeitslosen im Bekannten- oder Verwandtenkreis, sagt der Psychologe Bernd Bohn von der Universität Bremen. Und so breite sich das Gefühl weiter aus: Nichts ist mehr sicher, wann wird es mich treffen? In den Nachbarländern gingen die Menschen anders mit diesen Problemen um:

Arbeitslosenzahl Wolfgang Clement
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement zeigt eine Drucksache zur Arbeitsmarktreform während der Bundespressekonferenz am 2. Februar 2005 in Berlin, auf der er über die Arbeitsmarktreform und die neuesten Arbeitslosenzahlen berichteteBild: AP

"Wir haben es in Großbritannien in den 1970er Jahren erlebt, dass Maggie Thatcher einen regelrechten Crashkurs im Erlernen von Flexibilität gemacht hat", erläutert Bohn. Sehr viel angenehmer sei das in den Niederlanden in den späten 1980er Jahren geschehen, wo nun wirklich alle gesellschaftlichen Gruppen, die Bevölkerung, die Unternehmen, die Politiker und die Gewerkschaften an einem Strang gezogen und gesagt hätten: Es muss etwas verändert werden. "Wir müssen flexibler werden, zum Beispiel, wenn die Arbeitslosigkeit kommt, dann müssen wir auch bereit sein, drei oder sechs Monate lang 'unter Wert' zu arbeiten", findet Bohn.

Erwerbsarbeit ist nicht alles

Flexibilität - so heißt das Zauberwort für den Arbeitspsychologen. Und er nennt Beispiele: In

Grossbritannien und den USA seien - ebenso wie in Deutschland - viele Menschen nur vorübergehend ohne Job, sie nutzten aber zum großen Teil diese Zeit für eine weitere Qualifizierung, um dann neu einzusteigen, sagt Bohn. Deutsche Politiker packten das Problem recht einseitig an, indem sie immer und immer wieder die Wirtschaft aufforderten, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Metalitätswandel müsse her.

Armut in Deutschland Verteilen von Lebensmitteln
Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen der Greifswalder Tafel. Die Arbeit der Tafeln in Deutschland wird vor allem durch Spenden und ehrenamtliche Helfer ermöglichtBild: dpa Zentralbild

Man definiere sich immer noch hauptsächlich über die Erwerbstätigkeit und diese sei ja auch die Grundlage für die materielle Existenz, erklärt der Psychologe. "Wenn wir einen Einstellungswandel hinbekommen würden, an dem die gesellschaftlichen Gruppen mitarbeiten", glaubt Bohn, "das wäre ein Baustein zur Veränderung der persönlichen Einstellung zur Arbeitslosigkeit." Erwerbsarbeit sei nicht das "ein und alles", um sich selbst, die eigene Persönlichkeit und das Selbstwertgefühl zu begründen, und man müsse dem Ehrenamt oder anderen Tätigkeiten mehr Raum und auch mehr gesellschaftliche Akzeptanz geben, dass das eine wertvolle Arbeit in der Gesellschaft sei.

Großzügige Versicherung und effiziente Vermittlung

Einen Mentalitätswandel haben auch die Dänen hinter sich. Der ist nach der tiefen Wirtschaftskrise vor zehn Jahren entstanden. Dort wird auf einen extrem flexiblen Arbeitsmarkt gesetzt, es gibt kaum Kündigungsschutz, dafür aber eine Arbeitslosenversicherung, die zu den großzügigsten Europas gehört. Sie zahlt bis zu 1800 Euro monatlich über maximal vier Jahre. Gleichzeitig bieten Arbeitsvermittlungen maßgeschneiderte Ausbildung, stellen aber auch harte Anforderungen an die Jobsuchenden.

Dass der Staat weniger zu verteilen hat, bekamen auch die Österreicher in den vergangenen Jahren zu spüren. Dort sind Langzeitarbeitlose im Vergleich zu Deutschland finanziell besser gestellt und wer ohne Job ist, wird auch schneller wieder vermittelt. In der Alpenrepublik gilt das Prinzip: Arbeiten die Vermittler effizient, dann kann sich der Staat bei der Unterstützung auch großzügiger zeigen.