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Dick Cheney unter Druck

Daniel Scheschkewitz, Washington8. November 2005

In der US-Regierung ist der bisherige Umgang mit gefangenen Terror-Verdächtigen umstritten. Vizepräsident Cheney möchte keine Einschränkungen durch internationale Verträge hinnehmen. Damit steht er fast allein.

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Der Vizepräsident wird vielen Verantwortlichen zu radikalBild: AP


Guantanamo, schwarze CIA-Lager, Misshandlungen auf amerikanischen Militär-Basen – die Liste der Vorkommnisse, die das Ansehen der USA weltweit beschädigen, ist lang. Dies sehen offenbar auch immer mehr führende Senatoren, Kongress-Abgeordnete und sogar Regierungsmitarbeiter so. Schon vor Wochen stellte der Senat die Bewilligung eines Zusatzes zum Verteidigungshaushalt unter den Vorbehalt, dass Gefangene des US-Militärs nicht grausam behandelt, erniedrigt oder gefoltert werden.

Das Weiße Haus hat sich diese Auflage, die immerhin geltendem internationalem wie amerikanischem Recht entspricht, verbeten und mit einem Veto gedroht. Dennoch scheint sich die Stimmung zu wenden. Im US-Außenamt arbeitet man – so heißt es – in enger Abstimmung mit dem Pentagon an einem Gesamtpaket, das die Problematik lösen soll und die Behandlung von Gefangenen im Kampf gegen den Terror auf eine neue Grundlage stellen würde, die im Einklang mit internationalen Verträgen wie der Anti-Folter-Konvention steht.

Cheney gegen Rice

Nur eine, wenn auch wichtige, Regierungsstelle läuft Sturm gegen die Beseitigung des rechtsfreien Raumes im Umgang mit Terrorverdächtigen: Vizepräsident Dick Cheney samt seinem neuen Stabschef David Addington. Das berichtete am Montag die angesehene Tageszeitung "The Washington Post". Cheney verfolgt eine harte Linie, die vor allem der CIA bei Verhören weiterhin freie Hand lassen würde, und versucht, wichtige Entscheidungsträger auf seine Seite zu ziehen. Vergangene Woche setzte er die republikanischen Senatoren bei einem Mittagessen mit dem gezielten Hinweis unter Druck, die aggressive Befragung von Khalid Sheikh Mohammed, der seit März 2003 an unbekanntem Ort festgehalten wird, habe äußerst nützliche Hinweise im Kampf gegen den Terrorismus erbracht.

Aber die Menschenrechtsfront verläuft quer durch die Bush-Regierung. Auf der einen Seite steht Vizepräsident Cheney, auf der anderen Außenministerin Condoleezza Rice. Die unterbrach erst vor kurzem das Programm ihrer Kanada-Reise, um sich in einer geheimen Video-Konferenz mit Cheney in Verbindung zu setzen. Darin soll sich die inzwischen hoch angesehene Außenministerin beim Vizepräsidenten versichert haben, dass Entscheidungen in diesem Bereich nicht ohne ihr Wissen getroffen werden.

Vize auf verlorenem Posten

Selbst im Pentagon scheint ein Umdenken eingesetzt zu haben. So ist laut "Wahington Post" auch der stellvertretende Verteidigungsminister Gordon England ein strikter Befürworter internationaler Verträge bei der Gefangenen-Behandlung. Und in einer bisher unveröffentlichten Direktive des Verteidigungsministeriums wird nach einem Bericht der "New York Times" der Versuch gemacht, klare Grenzen für die Verhöre von Gefangenen in US-Gewahrsam zu ziehen. Der Widerstand kommt auch in diesem Fall aus dem Amt des Vize-Präsidenten. Dessen Position beschreiben gut informierte Kreise jedoch als zunehmend isoliert.

Vier Jahre nach dem Beginn des Anti-Terror-Kampfes scheint es, als wolle sich eine Mehrheit von US-Regierungsverantwortlichen auf international geltende Verträge und das damit verbundene Folter-Verbot zurück besinnen.