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Dialog mit Belarus

3. November 2010

Westerwelles Besuch in Belarus, der erste eines deutschen Außenministers seit 15 Jahren, war eine gute Gelegenheit, den Reformdruck auf das autokratische Regime in Minsk zu erhöhen. Daniel Scheschkewitz kommentiert.

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Bild: DW

Der Besuch des deutschen Außenministers Guido Westerwelle am Dienstag (2.11.) in Belarus war ein gewagtes Unternehmen. Die letzte Bastion kommunistischer Unfreiheit in Europa, in der die Todesstrafe noch immer praktiziert und die Menschenrechte regelmäßig mit den Füßen getreten werden, ist nicht der Ort, an dem ein Politiker mit schönen Bildern und gut gelaunten Erklärungen aufwarten kann. Guido Westerwelle ist, was die Menschrechte angeht, in die Höhle des Löwen gereist. Aleksandr Lukaschenko ist der Paria unter den europäischen Staatschefs, der sein Land mit harter, unnachgiebiger Hand zu führen glaubt und dessen Geheimpolizei auch vor der Ermordung von Regimegegnern nicht zurückschreckt. Warum trifft sich der deutsche Außenminister gerade jetzt mit solch einem Mann?

Menschenrechte im Blickfeld behalten

Portrait von Daniel Scheschkewitz (Foto: DW)
Daniel ScheschkewitzBild: DW

Die ehemalige Sowjetrepublik ist mit ihren 10 Millionen Einwohnern ein wichtiges Land, das allein schon wegen seiner gemeinsamen Grenzen mit der EU und des wirtschaftspolitischen Potenzials Beachtung verdient. Auch die Sicherstellung bestehender Transportwege für Erdöl- und Gaslieferungen und eine Zusammenarbeit in der Handelspolitik lassen einen Dialog mit den Machtabern von Minsk geboten erscheinen. Aber dabei dürfen die Menschenrechte nicht aus dem Blickfeld geraten. Für entsprechenden Druck, den Westerwelle bei seinem Besuch auszuüben versucht, ist der Zeitpunkt günstig.

Lukaschenko hat vorgezogene Neuwahlen für Mitte Dezember angesetzt, bei denen die Staatsführung zeigen kann, wie ernst sie es mit Wahlfreiheit und Pluralismus nimmt. In diesem Sinne geht von Westerwelles Gesprächen auch mit anderen Präsidentschaftsbewerbern das richtige Signal aus. Aufgrund der gespannten Beziehungen zum großen Bruder Russland ist Belarus an einer Annäherung an die EU gelegen. Sogar eine Mitgliedschaft im Europarat wird angestrebt. Die EU-Außenminister haben dies erkannt und die seit 2004 bestehenden Einreiseverbote gegen belarussische Politiker gelockert, auch wenn die Sanktionen grundsätzlich in Kraft geblieben sind.

Voraussetzung ist echte Reformbereitschaft

Das Angebot zur Zusammenarbeit dürfte auch von Guido Westerwelle in seinen Gesprächen mit Lukaschenko wiederholt worden sein. Vorausgesetzt die Staatsführung lässt eine echte und nachvollziehbare Reformbereitschaft erkennen. Konstruktive Beziehungen und eine Mitgliedschaft im Europarat kann es nur geben, wenn im Dezember freiere und fairere Wahlen stattfinden als es 2006 der Fall war. Bei Lukaschenkos Zusicherung an den deutschen Außenminister, die Wahlen würden korrekt verlaufen, ist dabei durchaus Skepsis geboten. Die Zulassung aller Oppositionskandidaten und von unabhängigen Wahlbeobachtern wäre ein erster Schritt.

Außerdem müssen auch in Belarus rechtsstaatliche Verhältnisse einkehren. Ein Moratorium bei der Vollstreckung und letztendlich die Abschaffung der Todesstrafe könnten das Land in seinem Wertegefüge näher an Europa heranrücken.

Isolation sollte im Europa des 21. Jahrhundert grundsätzlich kein probates Mittel der Politik mehr sein. Muss es auch nicht, wenn Minsk das Angebot zum Dialog ernst nimmt. Westerwelles heikler Besuch ist ein offensiver Schritt des Entgegenkommens. Wohl abgestimmt mit den EU-Nachbarn Litauen und Polen. Jetzt müssen auf belarussischer Seite den vagen Ankündigungen Taten folgen.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Markian Ostaptschuk