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"Ägypten braucht einen Plan"

Kersten Knipp10. Mai 2013

Der ägyptische Unternehmer und Verleger Saleh Diab sieht die Zukunft seines Landes mit Sorge. Die politischen Umstände seien für ausländische Investoren nicht attraktiv. Dem Land fehle eine Vorstellung seiner Zukunft.

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Saleh Diab ist ägyptischer Unternehmer (Foto: Saleh Diab)
Saleh Diab ist ägyptischer UnternehmerBild: privat

DW: Herr Diab, Sie sind Eigentümer einer der bedeutendsten ägyptischen Tageszeitungen, "Al Masry al Youm". Ihr angeschlossen ist die englischsprachige Wochenausgabe "Egypt Independent". Wie würden Sie die weltanschauliche Position des Blattes beschreiben?

Saleh Diab: Es ist eine unabhängige Zeitung, die sich für das Wohl aller Ägypter einsetzt. Sie zeigt Missstände auf, aber wir versuchen auch Anregungen und Lösungen anzubieten. Darum gilt das Blatt den jeweils Regierenden – und zwar ganz unabhängig davon, wer es gerade ist - als oppositionelle Plattform. Repräsentanten der Regierung verstehen Kritik grundsätzlich als Opposition. Das galt für das Mubarak-Regime, und das es gilt jetzt für die Muslimbrüder. Sie sehen uns als gegnerisches Blatt - und nicht als eines, das das Wohl aller Ägypter im Blick hat. Wir sind natürlich kritisch. Da das Gute von allein gedeiht, kümmern wir uns lieber um die Missstände im Land.

Wie sehen Sie das derzeitige politische und ökonomische Klima im Land?

Unter Mubarak gab es eine relative Pressefreiheit. Damals gab es eine ganze Reihe von Missständen zu kritisieren. Aber heute muss man alles kritisieren, zumindest sehr viel mehr als früher. So etwa die Reden von Präsident Mohamed Mursi: Sie sind extrem vage, ebenso wie die Anschuldigungen, die er erhebt. Er behauptet etwa, in Ägypten gebe es 30 oder 40 Familien, die den Reichtum des Landes kontrollierten. Wenn man aber die Ägypter selber fragt, wer die Wirtschaft des Landes beherrsche, dann hört man unzählige Namen. Mursi hingegen behauptet, er sehe einige Personen, die die Politik und die Stabilität des Landes beeinflussen wollten. Zugleich kommt er den ägyptischen Unternehmern nicht entgegen. Darum verlassen sie das Land. Angesichts dieser Entwicklung kann man ausländische Investoren nicht dazu bewegen, in dem Land zu investieren. Wenn schon die Ägypter das Land verlassen – warum sollten dann Investoren aus dem Ausland in das Land kommen? Das Klima der Unsicherheit ist ein erheblicher Grund für die ökonomische Katastrophe, die das Land durchlebt.

Die ägyptische Wirtschaft liegt am Boden. Soeben sind die Kreditverhandlungen mit dem IWF gescheitert. Das Land leidet an einer Arbeitslosigkeit von offiziell 13 Prozent, die Arbeitslosenquote unter jungen Menschen zwischen 14 – 29 liegt bei über 70 Prozent. Wie sehen Sie die ökonomiosche Zukunft des Landes?

Das Problem ist, dass niemand auf die Revolution vorbereitet war. Das Mubarak-Regime hatte sie nicht erwartet, und die Opposition ebenso wenig. Auch die Muslimbruderschaft wurden von ihr überrascht. Aber noch etwas bereitet uns Probleme: Wir haben kein Modell, nach dem wir uns richten könnten. Umweltfragen, Menschenrechtsfragen, das Bankwesen – kaum jemand weiß, wie man diese Herausforderungen angehen soll. Darum brauchen wir einen Politiker, der eine Vision, eine klare Vorstellung von der Zukunft des Landes hat. Nach 1989 konnte sich Ostdeutschland an Westdeutschland orientieren. Uns dagegen fehlt ein solches Vorbild.

Was heißt das für die Zukunft des Landes?

Die Zukunft Ägyptens hängt vom Umgang mit den Problemen des Landes ab. Das kann alles nicht so weiter gehen, denn die Probleme sind so groß, dass niemand sie mehr ignorieren kann. Sie betreffen jeden einzelnen Ägypter. Wir haben nie dagewesene Inflationsraten. Wir haben ein nie dagewesenes Chaos, und ebenso ein bislang unbekanntes Sicherheitsproblem. Das Problem ist, dass nur die Köpfe ausgetauscht wurden. Doch die Strukturen blieben erhalten.

Kann der Westen Ägypten bei der Gestaltung der Zukunft unterstützen?

Der Westen kann helfen, indem er Ägypten bei der Gestaltung der Zukunft berät – indem er Ägypten etwa mit den Institutionen der EU bekannt macht. Dagegen brauchen wir keine Milliarden-Hilfen. Denn die wären innerhalb eines oder sogar eines halben Monats wieder aufgebraucht. Was wir brauchen, ist ein Plan, eine klare Vorstellung von der Zukunft. Wir brauchen keine Dollars. Denn wir sind geübt wie niemand sonst darin, diese Dollars wieder zu verlieren. Solange wir keinen Plan haben, sind diese Finanzhilfen sinnlos. Wir brauchen ein Modell, ein Rezept, dem wir folgen können.

Saleh Diab ist Vorsitzender der Geschäftsführung der ägyptischen, überwiegend im Energie- und Landwirtschaftsbereich tätigen PICO-Gruppe. Er ist zudem Eigentümer von "Al Masry al Yaum", einer der bedeutendsten ägyptischen Tageszeitungen.