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Niersbach: "Da bin ich überfragt"

22. Oktober 2015

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach versucht die Millionen-Zahlung an die FIFA zu erklären. Doch der Weltverband widerspricht seiner Darstellung. Ein ehemaliger Vizepräsident des WM-OK gibt die Schuld Franz Beckenbauer.

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DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Foto: Reuters
Bild: Reuters/R. Orlowski

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat erstmals erklärt, wie es zu der ominösen Zahlung von umgerechnet 6,7 Millionen Euro an die FIFA gekommen sein soll. Das Geld sei als Bedingung dafür geflossen, dass man von der FIFA "eine Organisationsunterstützung in Höhe von 170 Millionen Euro gewährt bekam", sagte Niersbach bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz des DFB.

Schwan soll vermittelt haben

Franz Beckenbauer, der Chef des Organisationskomitees, habe ihn bei einem Treffen am vergangenen Samstag darüber informiert, wie der Vorgang damals abgelaufen sei: Beckenbauer habe die 6,7 Millionen Euro zunächst aus seinem Privatvermögen beisteuern wollen. Dann habe dessen damaliger Manager Robert Schwan dafür gesorgt, dass der damalige, inzwischen verstorbene Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus das Geld an die FIFA-Finanzkommission gezahlt habe. Später habe das Organisationskomitee der WM 2006 die Summe an ein FIFA-Konto überwiesen. "Mir war nicht bewusst, dass hinter dem Etat-Posten Kulturprogramm die Rückzahlung dieses Geldes steckt", räumte der spürbar unsichere DFB-Präsident ein.

"WM 2006 bleibt ein Sommermärchen"

Auf die Frage, warum die FIFA überhaupt für einen Zuschuss von 170 Millionen Euro an das deutsche Organisationskomitee von demselben einen Eigenbeitrag von 6,7 Millionen Euro verlangt habe, antwortete Niersbach wörtlich: "Da bin ich überfragt." Er könne jedoch mit Sicherheit sagen, dass "bei der WM-Vergabe alles mit rechten Dingen zugegangen" sei. "Es hat keine schwarzen Kassen gegeben, es hat keinen Stimmenkauf gegeben", sagte Niersbach. "Das Sommermärchen war, ist und bleibt ein Sommermärchen." Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte über eine Schwarze Kasse berichtet, mit der angeblich vor der Vergabe der WM 2006 Stimmen von FIFA-Exekutivmitgliedern gekauft worden seien.

FIFA nährt Zweifel

Die FIFA nährte umgehend Zweifel an der Erklärung Niersbachs. "Es entspricht in keinster Weise den FIFA-Standardprozessen und Richtlinien, dass die finanzielle Unterstützung von WM-OKs an irgendwelche finanziellen Vorleistungen seitens des jeweiligen OKs oder seines Verbandes gekoppelt ist", teilte der Weltverband mit: "Im Übrigen ist ganz generell die Finanzkommission weder berechtigt, Zahlungen irgendwelcher Art in Empfang zu nehmen, noch verfügt sie über ein eigenes Bankkonto." Der suspendierte FIFA-Chef Joseph Blatter ließ über einen Sprecher verlauten, er sei "mit diesem Vorgang nicht vertraut". Niersbach hatte behauptet, die Millionenzahlung an die FIFA sei in einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Beckenbauer und Blatter vereinbart worden.

Später teilte der Fußball-Weltverband "nach derzeitigem Kenntnisstand" weiter mit, dass man 2002 keinen Zahlungseingang über zehn Millionen Schweizer Franken vom damaligen adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus registriert habe. Auch das erschüttert die Erklärungen von Niersbach zur Affäre um die Organisation des WM-Turniers 2006 in Deutschland.

Alleingang Beckenbauers

Unterdessen hat Horst R. Schmidt, damals Vizepräsident des WM-OK die Version von DFB-Präsident Niersbach bestätigt. Gleichzeitig räumte er ein, dass er "nicht glücklich über die intransparente Gestaltung" dieses Finanzdeals gewesen sei. Laut Schmidts persönlicher Erklärung, die der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt, habe Franz Beckenbauer "bei einem persönlichen Treffen mit dem FIFA-Präsidenten im Jahr 2002" eine Übereinkunft über den FIFA-Zuschuss in Höhe von 250 Millionen Schweizer Franken erzielt. Erst 2004 habe Schmidt nach eigener Aussage von der Bedingung Kenntnis erhalten, "dass die Finanzkommission der FIFA die Forderung aufgestellt hatte, dass das OK vorab 10 Millionen Schweizer Franken leistet".

Er habe zudem "durch einen Anruf von Günter Netzer erfahren, dass Robert Louis-Dreyfus einen Anspruch gegen das OK des DFB in Höhe von 6,7 Mio. Euro haben soll". Schmidt bestätigte, dass es diesbezüglich einen Schuldschein im Namen von Franz Beckenbauer gegeben habe. Es sei ein Alleingang Beckenbauers gewesen. "Es stand aber für mich und das gesamte OK außer Frage, dass letztlich das OK und nicht Franz Beckenbauer persönlich für diese Verbindlichkeit einzustehen hat", teilte Schmidt mit.

sn/jw (sid, dpa, TV)