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Dezember-Gipfel unter ungutem Stern

Bernd Riegert17. November 2004

Dezembertreffen haben in der EU einen schlechten Beigeschmack: Vor einem Jahr bockten Polen und Spanien wegen der Verfassung. Diesmal könnte Zypern die Gipfellaune und die Debatte um den Beitritt der Türkei verderben.

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Bernd Riegert

Am 17. Dezember 2004 wollen die 25 EU-Elefanten formell entscheiden, wann Betrittsgespräche mit dem Dauerkandidaten Türkei aufgenommen werden. Die EU-Kommission hatte dies empfohlen, nun wären die Europäer eigentlich an ihren Beschluss vom Kopenhagener Gipfel 2002 gebunden und müssten den Türken das langersehnte Datum nennen. Einstimmig, wohlgemerkt. Der zyprische Präsident Tassos Papadopoulos hüllt sich offiziell in Schweigen, wie er auf dem Gipfel votieren wird, aber vorsorglich hatte er im Oktober schon mal über einen Sprecher mit einem Veto drohen lassen.

Was ist das Problem? Die Türkei besetzt seit 1974 völkerrechtswidrig den Norden Zyperns. Die Insel, die rein rechtlich gesehen am 1. Mai 2004 komplett, also mit Nordzypern, der Europäischen Union beigetreten ist, ist de facto zweigeteilt, auch, wenn die Demarkationslinie geöffnet wurde. Auffällig ist, dass Zypern in anderen EU-Gremien alle Versuche blockiert, auf die Nordzyprer im türkisch besetzten Teil zuzugehen. Es soll auf jeden Fall verhindert werden, dass auch nur der Eindruck entsteht, die EU wolle sich der international nicht anerkannten türkischen "Republik Nordzypern" annähern. Die zyprisch-griechische Regierung im Süden, die völkerrechtlich für die ganze Insel spricht, verlangt von der Türkei, vor Beitrittsgesprächen wenigstens offizielle Beziehungen mit dem EU-Mitglied Zypern aufzunehmen, was Ankara bis heute ablehnt.

Eigentlich kann ja nicht sein, dass ein Teil der EU (Nordzypern) von einer fremden Macht (Türkei) mit 36.000 Soldaten besetzt wird, während die EU gleichzeitig mit dieser fremden Macht über einen Beitritt verhandelt. Noch komplizierter wird die Zwickmühle durch die Tatsache, dass Nordzypern in einer Volksabstimmung für eine Wiedervereinigung gestimmt hat. Die Wiedervereinigung wurde aber von den griechischen Zyprern in einem Referendum. nur einige Tage vor dem EU-Beitritt Ende April abgelehnt. Die Türkei argumentiert nun, sie sei zu einer Wiedervereinigung bereit gewesen. Einen Abzug der Truppen aus Nordzypern und eine Übergabe an die südzyprische Regierung lehnt Ministerpräsident Erdogan ab.

Herrjeh! EU-Diplomaten in Brüssel können sich nun vorstellen, dass EU-Mitglied Zypern jetzt auf stur schaltet und ein Veto gegen einen Beitritt einlegt bis seine Forderungen erfüllt werden. Dann müsste es zwar Klassenkeile von den 24 anderen EU-Mtigliedsstaaten aushalten, aber das könnte Tassos Papadopoulos das Beharren auf dem Prinzip schon wert sein. Außerdem, wer sagt denn, dass nicht insgeheim einige der 24 anderen Staats- oder Regierungschefs ganz froh wären, wenn Papadopoulos voran geht? Denn längst nicht alle sind so enthusiatisch für den EU-Beitritt der Türkei wie Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Der Dezember-Gipfel könnte also zu einem echten EU-Krimi werden: Mit Erpressung, blanken Nerven, lautstarken Attacken, Kungeln in Hinterzimmern, sturen Zyprern oder eingeschnappten Türken. Mit einem Wort: Spannend! So recht nach dem Geschmack der Brüssler Korrespondenten.