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"Deutschlands Position ist schizophren"

Das Interview führte Silke Wünsch17. Oktober 2008

Es ging nicht nur um die Finanzkrise auf dem EU-Gipfel. Ein anderes wichtiges Thema, war das Klimapaket der EU. Klimaexpertin Rebecca Harms spricht im Interview über den Gipfel.

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Rebecca Harms
Die grüne Europaabgeordnete Rebecca HarmsBild: presse

EURANET: Vor gut einem Jahr hat Angela Merkel die Klima-Ziele als Ratspräsidentin selbst ausgehandelt. Jetzt feilscht sie um Ausnahme-Regelungen für die deutsche Industrie. Wie glaubwürdig ist das?

Harms: Das ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie ehrgeizige Ziele, ehrgeizige Worte und die Taten, die Bereitschaft zum Handeln, auseinander klaffen können. Ich empfinde die Position Deutschlands nicht nur die von Frau Merkel, sondern die Position Deutschlands in Brüssel zum Klimawandel inzwischen als regelrecht schizophren.

Neben Deutschland haben vor allem Italien und Polen Probleme mit der Klimapolitik, die Politiker sagen: die Kosten für die Wirtschaft durch die Finanzkrise sind momentan so hoch, dass weitere Belastungen durch Klimaschutzmaßnahmen Gift sind. Was halten Sie von dieser Argumentation?

Das Argument ist unlauter. Das Blockieren, Verwässern und Verzögern gegenüber jedem einzelnen Instrument im Klimapaket, das hat schon vor Monaten angefangen und da hat noch niemand von dieser Finanzkrise gesprochen.

Es ist auch nicht nur so, dass Italien und Polen, die jetzt immer besonders genannt werden, Schwierigkeiten machen, sondern alle großen Industrieländer Deutschland, Frankreich, Italien und etliche Länder aus dem Osten sperren sich an unterschiedlichen Stellen.

Im Dezember wollen die EU-Regierungschefs die Klima-Pläne in Abstimmung mit dem Parlament beschließen. Was wird denn das Europäische Parlament tun, damit diese Pläne nicht noch weiter verwässert werden?

Das, was wir bestenfalls erreichen können, ist, dass sich die Kommission mit ihren Vorschlägen zum Klimapaket durchsetzt. Dann haben wir die Chance, dieses 20-Prozent-Reduktionsziel für CO2 in der EU bis 2020 tatsächlich erreichen zu können. Ich bin aber im Moment sehr skeptisch, was uns wirklich gelingt. Ich hoffe darauf, dass es da noch Vernunft gibt.

Meiner Meinung nach sind alle die Ziele, die wir verfolgen, geeignet, nicht nur Klimaschutz zu erreichen, sondern auch den Energieverbrauch zu senken. Das würde sich meiner Meinung nach grade angesichts einer schwierigen wirtschaftlichen Situation einer Rezession, eine Situation, in der viele Menschen auch mit Arbeitsplatzverlusten und weniger Einkommen zu kämpfen haben, ausgesprochen rentieren. Deshalb plädiere ich, gerade wegen der Krise, wegen der Finanzkrise, für die Fortsetzung der Klimapolitik.

Rebecca Harms ist Europa-Abgeordnete für die Grünen. Sie sitzt als Klima- und Energieexpertin im Europaparlament.