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Keese: Deutschland hinkt digital hinterher

Thomas Spahn apo
24. März 2018

Internetplattformen zählen zu den profitabelsten Konzernen der Welt. Aber deutsche Unternehmen spielen dabei praktisch keine Rolle, warnt Christoph Keese, Autor von "Silicon Germany", im DW-Interview.

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Screenshot DW - Interview der Woche Christoph Keese
Bild: DW

Christoph Keese: "Was gebe ich von mir preis?"

Gerade erschüttert der Missbrauch der Daten von 50 Millionen Nutzern bei Facebook die Öffentlichkeit. Dennoch sei keine massenhafte Abwanderung von Usern aus dem größten Internetnetzwerk der Welt zu erwarten, sagt Digitalisierungsexperte Christoph Keese im Interview mit DW: "Der Nutzen scheint doch für die meisten Nutzer noch so stark zu überwiegen, dass sie die ständigen Datenleckagen billigend in Kauf nehmen."

Facebook bleibt beliebt

Ein Auslaufmodell sei Facebook daher wohl kaum. Im Gegenteil: Die digitale Revolution der Wirtschaft stehe erst am Anfang. Wichtige neue Technologien wie Blockchain, Künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge befänden sich noch in der Entwicklungsphase.

Vermitteln statt selbst anbieten

Andere digitale Geschäftsmodelle dagegen, insbesondere Vermittlungsplattformen, stellen nach Ansicht des Digitalstrategen bereits die traditionelle Wirtschaft "auf den Kopf". Airbnb etwa, wo Wohnraum privat und kommerziell temporär vermittelt wird, vermiete pro Nacht mehr Betten als die Hilton-Gruppe - "ohne ein einziges Hotel zu besitzen", erklärt Keese. Facebook sei ohne eigene Redakteure eines der größten Medienunternehmen der Welt geworden. Und der Fahrtenvermittler Uber sei ohne eigenes Taxi zum größten Taxiunternehmen der Welt avanciert.

"Durch den Erfolg der Industrie haben wir die Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung in den vergangenen zwanzig Jahren angeboten hat, ein Stück weit aus dem Blick verloren", meint Keese. "Da müssen wir dringend aufholen."

"Silicon Germany" ist Zukunftsmusik

Der Softwareentwickler SAP sei in der gesamten Digitalbranche das einzige deutsche Unternehmen von Weltrang. Dagegen seien mit Tencent und Alibaba bereits zwei chinesische Internetkonzerne unter den Top Ten der Welt angekommen. Keese spricht von einem digitalen Rückstand in Deutschland und meint: "Das muss uns Sorgen machen."

Der frühere Manager und heutige Berater des Springer-Verlagshauses beschreibt in seinem neuen Buch "Silicon Germany" Deutschland als Land des digitalen Defizits. Viele Deutsche, sagt Keese, seien zwar erfolgreich in der Branche - aber nicht in Deutschland, sondern im Silicon Valley, wie etwa PayPal-Gründer Peter Thiel und Palantir-Gründer Alex Karp. Von der Politik fordert er deshalb, das Umfeld für Technologiekonzerne hierzulande zu verbessern und den Breitbandausbau voranzutreiben.

Dazu gehöre angesichts der Datenaffäre bei Facebook auch, über eine Plattformregulierung nachzudenken, "die unternehmerische Chancen nicht einschränkt, aber die Exzesse begrenzt". Es gehöre nun einmal zum Geschäftsmodell von Facebook und vielen anderen Plattformen, dass die Daten der User verkauft würden: "Man kann sich als Konsument immer vor Augen führen: Wenn das Produkt nichts kostet, ist man eigentlich selber das Produkt." Hierbei, unterstrich Keese, seien auch die User gefordert, sich genau zu überlegen, was sie von sich preisgeben wollten.

Christoph Keese ist ein deutscher Journalist, Publizist und Lobbyist. Er war unter anderem Chefredakteur der Welt am Sonntag und Financial Times Deutschland sowie Executive Vice President der Axel Springer SE. Er ist Chief Executive Officer bei der Axel Springer hy GmbH. Das Unternehmen will Kunden bei der digitalen Transformation unterstützen.