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Deutschland will Musterschüler werden

Sabine Kinkartz9. April 2014

Weil die Gesetzgebung durch die Bundestagswahl im Verzug ist, debattiert der Bundestag erst jetzt über den Haushalt 2014. Der könnte in der deutschen Finanzpolitik zur historischen Zäsur werden.

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Der Bundestag debattiert über den Haushalt (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Schäuble: Keine neuen Schulden

Eine Minute und 40 Sekunden ist schon eine beachtliche Zeit für einen Zwischenapplaus im Deutschen Bundestag. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erhielt ihn für eine Verheißung: "Ab dem kommenden Jahr macht der Bund keine neuen Schulden mehr", versprach der CDU-Politiker den Parlamentariern. Sollte ihm das tatsächlich gelingen, dann wäre Schäuble der erste Finanzminister seit fast einem halben Jahrhundert, der mit dem auskommen würde, was der Bund einnimmt. Zuletzt hatte das 1969 der damalige Finanzminister Franz-Josef Strauß geschafft.

In diesem Jahr muss Wolfgang Schäuble allerdings noch einmal auf Kredite zurückgreifen. Für 2014 sind Ausgaben in Höhe von 298,5 Milliarden Euro vorgesehen, das sind 11,5 Milliarden Euro weniger als 2013. Der Haushaltsentwurf sieht neue Schulden in Höhe von 6,5 Milliarden Euro vor. 2013 waren es 22,1 Milliarden Euro.

Auf dem Weg zu einem dauerhaft ausgeglichenen Haushalt sei der Etat 2014 "ein wichtiger Schritt", betonte Schäuble zu Beginn der viertägigen Haushaltsdebatte. Wenn man die letzte Rate für den Euro-Rettungsschirm ESM abziehe, ergebe sich nur noch eine Neuverschuldung von knapp über zwei Milliarden Euro. Statistisch gesehen erziele der Etat dann sogar einen leichten Überschuss.

Die Hand auf der Schatulle

Den Verheißungen ließ Schäuble in seiner rund einstündigen Rede, mit der er den Haushaltsentwurf für 2014 im Bundestag einbrachte, sogleich aber eine Reihe von Warnungen folgen. "Wir haben in den letzten Wochen in Deutschland intensiv über Rentenpolitik und Mindestlohn diskutiert. Wir haben uns entschlossen, wir können uns das leisten, aber wir sollten nicht glauben, dass wir uns mehr leisten können", sagte der Finanzminister, der bis 2017 eigentlich Überschüsse erwirtschaften wollte.

Wolfgang Schäuble im Bundestag (Foto: dpa)
Schäuble hat die "schwarze Null" fest im BlickBild: picture-alliance/dpa

Das Geld wird nun für die von der großen Koalition beschlossenen Mehrausgaben benötigt, zu denen auch mehr Geld für Straßen und Bildung, Entwicklungshilfe sowie zur Entlastung der Länder und Kommunen gehören. Damit wurde der Abbau der über Jahrzehnte aufgelaufenen Schulden von mehr als 1300 Milliarden Euro erneut vertagt.

Geld wird trotzdem fehlen

Schäuble warnte, die geplanten politischen Maßnahmen seien nur möglich, wenn der Standort Deutschland wettbewerbsfähig bleibe. Untersuchungen zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen zeigten eine Lücke, die je nach Berechnung zwischen 0,6 und 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liege. Als zentrale Ursache macht Schäuble die demografische Entwicklung in Deutschland aus. Immer mehr Rentnern stünden immer weniger Erwerbstätige gegenüber. "Das ist nur zu bewältigen, wenn wir nicht der Illusion erliegen, wir könnten zukünftig weniger arbeiten und uns mehr leisten."

Maastricht im Blick

Einige Zeit verwendete der Bundesfinanzminister auch darauf, die finanzielle Entwicklung in Europa und Deutschland seit dem Beginn der Finanzkrise 2008 zu umreißen. Für 2010 habe Deutschland ein Rekorddefizit von 82 Milliarden Euro erwarten müssen. Das habe man "mit solider Arbeit" Schritt für Schritt abbauen können.

Eine Protestaktion gegen die Rentenreform vor dem Reichstagsgebäude (Foto: dpa)
Die Rentenpläne der Bundesregierung rufen viel Protest hervorBild: picture-alliance/dpa

"Bei einer halbwegs normalen wirtschaftlichen Entwicklung ohne größere Krisen sind wir auf einem guten Weg, dass wir innerhalb von zehn Jahren die gesamtstaatliche Schuldenquote von heute knapp unter 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 60 Prozent senken können." Damit würde Deutschland den europäischen Vorgaben entsprechen.

Linke und Grüne üben Kritik

Auch die Opposition ist grundsätzlich dafür, die Verschuldung abzubauen und den Etat auszugleichen. Der Preis für die Konsolidierung sei aber extrem hoch, kritisierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch. "Sie fahren mit diesem Haushalt das Land auf Verschleiß, das ist das Gegenteil von Verantwortung für die Zukunft."

Die Opposition fordert mehr Geld für Investitionen. Die Linke fordert dafür eine stärkere Belastung großer Einkommen und Vermögen. Seine Partei wolle keine generellen Steuererhöhungen, so Bartsch, "aber die zehn Prozent der Vermögenden, die müssen stärker belastet werden". Die Schere zwischen Am und Reich werde immer größer.

Mehr Steuergerechtigkeit forderte auch der Haushaltsexperte der Grünen, Sven-Christian Kindler. Zudem warf er Schäuble einen "Griff in die Sozialkassen" vor. Damit sind die gekürzten Zuschüsse für die gesetzlichen Krankenkassen und die Finanzierung des Rentenpakets gemeint. Zahlungen für Gesundheit und Rente seien eine Aufgabe für alle Steuerzahler. Wenn jetzt die geplante Rente für Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, und die Rente mit 63 aus der Rentenkasse bezahlt würden, dann sei die Kasse in vier Jahren leer. "Dann bleibt nur, die Steuern oder die Beitragssätze zu erhöhen."