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Deutschland prescht bei Finanz-Regulierung vor

19. Mai 2010

Der Alleingang Deutschlands beim Kampf gegen Spekulanten hat die EU-Partner überrascht. Die Finanzmärkte reagierten mit fallenden Kursen. Zuvor hatte Deutschland mehrere Varianten hochspekulativer Geschäfte verboten.

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Symbolbild Börsenabschwung (Foto: dpa)
BörsenabschwungBild: picture-alliance/dpa

EU-Binnenmarkt Michel Barnier äußerte am Mittwoch (19.05.2010) zwar Verständnis für das deutsche Verbot von hochspekulativen Wetten auf fallende Wertpapierkurse, warnte aber zugleich vor "regulatorischer Willkür" und einer Aufsplitterung innerhalb der EU und auf globaler Ebene. Es sei "wichtig, dass die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam handelten", betonte Barnier. Die Angelegenheit müsse deswegen auf dem Eurogruppen-Finanzministertreffen am Freitag in Brüssel besprochen werden. Notwendig sei ein europäisches Regelwerk, um Willkür und Fragmentierung zu vermeiden.

Frankreich macht nicht mit

Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde (Foto: AP)
Frankreichs Finanzministerin Christine LagardeBild: AP

Die französische Regierung zeigte sich irritiert über das deutsche Vorgehen. Finanzministerin Christine Lagarde sagte in Paris: "Ich finde, dass jemand bei einer solchen Maßnahme zumindest den Rat der anderen Mitgliedstaaten einholen sollte." Frankreich habe nicht vor, dem deutschen Schritt zu folgen.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte am Dienstagabend zur Eindämmung der Spekulationen an den Finanzmärkten sogenannte ungedeckte Leerverkäufe von Anleihen der Staaten in der Euro-Zone verboten. Untersagt sind außerdem ungedeckte Leerverkäufe von Aktien führender Finanzunternehmen, darunter die von Allianz, Commerzbank, Deutscher Bank und Postbank. Ebenso verboten ist der Abschluss ungedeckter Kreditausfallversicherungen, sogenannter Credit Default Swaps (CDS), soweit diese sich auf Schuldtitel von Staaten der Euro-Zone beziehen. Die Verbote gelten zunächst bis Ende März nächsten Jahres.

BaFin: Banken sind solvent

BaFin-Chef Jochen Sanio sagte, die Verbotverfügungen seien kein Anzeichen für eine Schwäche des Bankensystems. Bei einer Anhörung im Bundestag bekräftigte Sanio: "Ich erkläre Ihnen ausdrücklich, das deutsche Bankensystem, insbesondere die börsennotierten Banken, ist solvent."

Sanio rechtfertigte die Verbote mit Angriffen auf den Euro. Akteure außerhalb der Realwirtschaft spekulierten an den Finanzmärkten gegen die Gemeinschaftswährung.

Die Tricks der Spekulanten

Bei Leerverkäufen wetten Investoren auf fallende Kurse von Wertpapieren. Sie leihen sich Papiere gegen eine Gebühr und verkaufen diese. Dabei setzen die Spekulanten darauf, dass der Kurs der Papiere sinkt und sie sie zum Termin der Rückgabe an den Besitzer billiger kaufen können. Die Differenz zwischen dem niedrigeren Kurs und dem höheren Verkaufspreis abzüglich der Gebühr ist ihr Gewinn.

Bei ungedeckten Leerverkäufen leihen sich die Investoren die Wertpapiere nicht einmal, sondern sagen einem Käufer ihre Lieferung zu einem bestimmten Termin und einem bestimmten Kurs zu. Liegt der tatsächliche Kurs unter dem vereinbarten, machen sie Gewinn, im anderen Fall Verlust. Derartige Geschäfte können die Kurse von Wertpapieren gefährlich unter Druck setzen. Wenn viele Spekulanten auf sinkende Kurse setzen, sinken diese tatsächlich.

Die Aktienmärkte weltweit reagierten mit Verunsicherung auf den deutsche Verbot riskanter Börsenwetten. In Frankfurt am Main, verlor der Leitindex DAX 2,7 Prozent und ging mit 5988,67 Punkten aus dem Markt. Auch andere führende Börsen verbuchten Verluste. Der Euro rutschte zeitweise unter die Marke von 1,22 Dollar. Die Europäische Zentralbank legte den Referenzkurs auf 1,2270 Dollar fest, nach 1,2428 Dollar am Dienstag.

Autor: Michael Wehling (dpa/rtr/afp/apn)
Redaktion: Martin Muno/Frank Wörner