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Deutsche Rüstungsgüter für den Irak?

12. August 2014

Rüstungsgüter ja, Waffen nein. Auf diese Formel läuft die Linie hinaus, die Verteidigungsministerin von der Leyen für den Nordirak skizziert. Die Regierung prüft, wie sie im Kampf gegen die Terrormiliz IS helfen kann.

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Ursula von der Leyen mit Michael Fallon in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Bundesverteidigungsministerium stimmt derzeit mit dem Auswärtigen Amt ab, welche Möglichkeiten es gibt, die Kräfte zu unterstützen, die sich im Norden des Irak den vorrückenden Dschihadisten entgegenstellen. Dabei gehe es um Hilfsgüter und 'nicht tödliche' militärische Ausrüstung aus Bundeswehr-Beständen, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Berlin nach einem Treffen mit ihrem britischen Kollegen Michael Fallon in Berlin (siehe Artikelbild).

Die militärischen Ausrüstungsgüter könnten von gepanzerten Fahrzeugen bis hin zu Sprengfallendetektoren reichen, sagte die CDU-Politikerin. Denkbar seien auch Helme, Schutzwesten und Sanitätsmaterial. Die Bundeswehr sei auch zum Transport bereit. Deutschland wolle im europäischen Rahmen alle Möglichkeiten zur Hilfe unterhalb Waffenlieferungen nutzen, betonte von der Leyen. Adressat der Hilfe wäre die irakische Regierung.

Die Ministerin bekräftigte aber, dass Waffenlieferungen für den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zunächst nicht in Frage kämen. Bisher hatte die Bundesregierung nur humanitäre Hilfe für die von der IS angegriffenen Gebiete im Irak zugesagt. Die Hilfsleistungen sollen in der EU abgestimmt werden. "Ziel ist es, dass wir mit großer Geschwindigkeit europäische Hilfe leisten können", sagte von der Leyen.

Gabriel warnt vor Völkermord

Einen anderen Akzent setzt ihr Kabinettskollege Sigmar Gabriel (SPD) in der Waffenfrage. Nach Ansicht des Vizekanzlers darf Deutschland Waffenlieferungen an den Irak nicht mehr grundsätzlich ausschließen. Die Welt erlebe "die Vorbereitung eines Völkermords" an den irakischen Jesiden durch den IS, sagte der SPD-Chef nach einem Treffen mit Vertretern der jesidischen Glaubensgemeinschaft in Berlin. Mit Blick auf deutsche Rüstungshilfe sagte er, er gehe davon aus, dass Deutschland "über alle Fragen der Hilfe wird reden müssen".

Noch am Montag hatte Regierungssprecher Steffen Seibert die Lieferung deutscher Waffen an den Irak abgelehnt und auf die geltenden Exportrichtlinien verwiesen, welche solche Lieferungen in Konfliktregionen untersagten. Gabriel, in dessen Kompetenzbereich als Bundeswirtschaftsminister die Ausfuhr von Rüstungsgütern fällt, sagte dazu: "Wir wären rechtlich in der Lage, die irakische Armee besser auszustatten." Deutschland könne Waffen in Konfliktregionen liefern, wenn ein "besonderes Sicherheitsinteresse" vorliege. Waffen könnten legal aber nur an "legitime Regierungen", nicht an Milizen oder andere Gruppen ausgehändigt werden.

Derzeit seien solche Ausfuhren in den Irak aber noch "kein Thema für Deutschland", fügte Gabriel hinzu. Er wollte jedoch nicht ausschließen, dass die Frage von Rüstungslieferungen im Rahmen gemeinsamer EU-Maßnahmen bei einer weiteren Zuspitzung der Lage auf Deutschland zukomme. Ein Einsatz der Bundeswehr stehe aber nicht zur Debatte. Der SPD-Chef mahnte, die Diskussion über Rüstungshilfe "sehr vorsichtig" zu führen: Lieferungen von Waffen würden häufig zu einer weiteren Eskalation beitragen, da diese auf lange Zeit in einer Region blieben. Gabriel verwies darauf, dass angesichts der politischen Querelen in Bagdad derzeit nicht geklärt sei, wer den Irak als legitime Regierung vertrete.

Schutzzone im Nordirak?

Gabriel unterstützte die Forderung der Jesiden, eine Schutzzone im Nordirak einzurichten. Die Sicherung einer solchen Zone sei vor allem eine Aufgabe für die irakische Armee, sagte er. Auch die USA hätten hier eine besondere Verantwortung.

Im Nordirak sind zehntausende Menschen vor den Gräueltaten der IS-Milizen auf der Flucht. Vor allem Mitglieder religiöser Minderheiten wie jesidische Kurden und Christen wurden von den Extremisten vertrieben oder getötet. Tausende jesidische Familien waren vor einer Woche aus der nordirakischen Stadt Sindschar geflüchtet und harren seitdem praktisch ohne Versorgungsgüter in den Bergen aus. Die IS-Kämpfer, die weite Teile des Irak und Syriens kontrollieren, betrachten die Jesiden als "Teufelsanbeter".

Unterdessen stürzte ein Hubschrauber der irakischen Armee bei einem Hilfseinsatz im Nordirak ab. Der Pilot kam ums Leben. 20 Insassen, unter ihnen eine jesidische Abgeordnete des irakischen Parlaments, seien verletzt worden, berichtet das kurdische Nachrichtenportal Rudaw. Die Maschine vom Typ MI-17 habe Hilfsgüter für Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge an Bord gehabt. Als Absturzursache wurde ein "technischer Defekt" angegeben.

Mehr EU-Hilfe

Derweil dringen Deutschland und Frankreich auf eine gemeinsame humanitäre Hilfsaktion der Europäischen Union für die bedrohten Minderheiten im Nordirak. "So bald wie möglich" solle sich die EU an der bereits angelaufenen humanitären Hilfe beteiligen, betonten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande in einem Telefonat. Die EU-Kommission kündigte an, dass sie zusätzlich fünf Millionen Euro für den Irak bereitstellen werde, um den Flüchtlingen und den Gemeinden zu helfen, die Flüchtlinge aufnehmen. Dadurch steigt die Irak-Hilfe der Kommission auf insgesamt 17 Millionen Euro in diesem Jahr.

kle/gri (rtr, dpa, afp, epd, kna)