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Deutschland kein sicherer Hafen mehr?

Dirk Kaufmann15. Juni 2012

Die Euro-Krise schleicht sich langsam an Deutschland heran. Das Vertrauen schwindet: Der weltgrößte Anleihehändler Pimco hat seine deutschen Wertpapiere deutlich reduziert. Wie groß ist das Risiko wirklich?

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Arbeiter befestigen am Donnerstag, 15. Dezember 2005, im Amerikahafen in Cuxhaven Stahltrossen an dem havarierten Frachter "Maritime Lady", um ihn wieder aufzurichten. Das Schiff war am 5. Dezember 2005 in der Elbe vor Brunsbuettel mit einem Containerschiff zusammengestossen und gekentert. Im Hafenbecken in Cuxhaven wurde es am Mittag gedreht.(ddp images/AP Photo/Joerg Sarbach) ---Workers fix cables at the "Maritime Lady" for turning it back upright in the port of Cuxhaven, northern Germany" Thursday, Dec. 15, 2005. The ship capsized after colliding with a cargo ship at the Elbe river on Dec. 5, 2005. (ddp images/AP Photo/Joerg Sarbach)
Symbolbild - Haverie im HafenBild: dapd

Der Vermögensverwalter Pimco hat den Anteil deutscher Anleihen in seinem Portfolio reduziert. Mit der Ausgabe von Staatsanleihen leihen sich Regierungen frisches Geld am Markt. Andrew Bosomworth, Deutschland-Chef von Pimco, erklärte am Mittwoch (13.06.2012) den Schritt mit einer neuen Risikobewertung und sagte: "Deutschland verliert an Qualität". Dieser Qualitätsverlust liege in der deutschen Beteiligung an den milliardenschweren europäischen Rettungsschirmen. Scheitere der Euro, würden die Deutschen viel Geld verlieren, ihre Kreditwürdigkeit würde leiden.

Der emeritierte Professor und Euro-Kritiker Wilhelm Hankel betrachtet diese Entwicklung mit Sorge. Er teilt die Befürchtungen der Anleger, die deutsche Anleihen inzwischen mit Vorsicht betrachten. Nach Aussage deutscher Politiker befindet sich das Land in einer "Schicksalsgemeinschaft" mit dem Euro, und daher sei klar: "Wenn der Euro in Schwierigkeiten gerät, kann Deutschland sich davon nicht freimachen." Er könne die Entscheidung von Pimco nachvollziehen, sagte Hankel im DW-Gespräch.

Und außerdem keine Rendite

Pimco, eine US-Tochter des deutschen Versicherungskonzerns Allianz, gab noch einen anderen Grund an, warum deutsche Anleihen nicht mehr erste Wahl seien. Ein Unternehmenssprecher sagte am Mittwoch, die Papiere würfen einfach nicht genug ab. Betrachtet man die aktuelle Inflationsrate von 2,5 Prozent in der Eurozone und sieht auf die Rendite auf deutsche Anleihen (1,5 Prozent und weniger), wird klar, dass mit diesen Titeln kein Geld zu verdienen ist. Trotzdem waren deutsche Bonds sehr gefragt, weil die Anleger darin einen sicheren Hafen vermuteten. Bei dieser Investition verliert ihr Geld zwar an Wert, aber es geht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ganz verloren. Dieses Vertrauen schwindet nun.

Wilhelm Hankel, der als ehemaliger Chef der Hessischen Landesbank das Geschäft aus eigener Anschauung kennt, ist sicher, dass die Skepsis in Bezug auf deutsche Papiere gut begründet ist - zu unüberschaubar seien die Verpflichtungen, die Deutschland zum Schutz des Euro eingegangen ist. Die Reaktion der Marktteilnehmer sei ein Indiz dafür, und "Pimco nimmt diese Entwicklung, die jeder Experte sieht, eigentlich nur vorweg". Das werde sich so schnell auch nicht ändern. Hankel rechnet im Gegenteil damit, "dass immer weniger Nachfrage nach deutschen Bonds kommen wird".

Aus Sicht vieler Experten dürfte Deutschland der Status als sicherer Hafen aber nur schwer zu nehmen sein. "Sollte ein Bruch der Euro-Zone wahrscheinlicher werden, wären Bunds wieder Zufluchtsort", schreiben die Analysten der Metzler Bank in einem Kommentar. Es fehle einfach an Alternativen, urteilte auch Commerzbank-Analyst Marcel Bross. Bunds zählten nun einmal zu den liquidesten Anlagen weltweit.

Schlechte Aussichten und keine Alternative in Sicht

Die Neuausrichtung im Portfolio eines Anlegers wird Deutschlands Kreditwürdigkeit nicht beeinflussen - auch wenn andere Anleger dem Beispiel folgen sollten. Allerdings rechnet Hankel damit, dass Deutschland demnächst höhere Zinsen am Anleihemarkt bezahlen muss. Renditen von rund einem Prozent, das werde es nicht mehr geben, "dieser Niedrigtarif wird nicht anhalten". Deutschland sei weiterhin kreditwürdig und werde auch neues Geld aufnehmen können, müsse nur "sehr viel mehr dafür bezahlen".

Als Ausweg aus der Schulden- und Kreditfalle der Euro-Staaten wird die Einführung europäischer Anleihen, sogenannter Euro-Bonds, diskutiert. Wilhelm Hankel, ein Euro-Kritiker der ersten Stunde, wie er selbst sagt, hält davon aber gar nichts. Euro-Bonds sind in seinen Augen lediglich eine "Sozialisierung der europäischen Schulden." Außerdem wären die am Markt auch nicht durchzusetzen - wer jetzt schon bei deutschen Anleihen zurückzucke, wäre auch für schwächere Euro-Bonds nicht zu begeistern. Die wären "im Strudel der Euro-Krise nicht verkäuflich".