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Gas-Fracking durch die Hintertür

20. November 2014

Erdgas soll auch hierzulande durch die umstrittene Fördermethode Fracking gewonnen werden dürfen. Allerdings gibt es diverse Auflagen, wie aus dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf hervorgeht. Den Grünen reicht das nicht.

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Anwohner und Umweltschützer protestieren im Mai in Saal in Mecklenburg-Vorpommern gegen geplante Testbohrungen eines kanadischen Unternehmens (Foto: dpa)
Anwohner protestieren in Mecklenburg-Vorpommern gegen geplante Testbohrungen eines kanadischen UnternehmensBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Eigentlich sollte Fracking, auch unkonventionelle Schiefergas-Förderung genannt, mit Ausnahme wissenschaftlicher Probebohrungen komplett bis 2021 in Deutschland verboten bleiben. Dieses Verbot sollte im Anschluss anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse überprüft werden. Dieser Kernpunkt des Gesetzentwurfs aus den Ressorts von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist auf Druck der Wirtschaft jetzt erheblich abgeschwächt worden.

Fracking ab 2019 in großem Stil?

Nun können Konzerne voraussichtlich schon ab 2019 auf die kommerzielle Ausbeutung von Gas- oder Ölvorkommen hoffen - aber nur in bestimmten Gebieten und nach Überwindung einiger Hürden. Das belegt der jetzt präsentierte Gesetzentwurf des Umweltministeriums, der nun zwischen den Ressorts abgestimmt werden soll.

Danach wird das Verfahren für ausgewiesene Trinkwasser- und Naturschutzgebiete verboten, auch in einigen anderen Regionen sollen Fracking-Vorhaben in Schiefer- und Kohleflözgestein untersagt bleiben. Aber Unternehmen können Probebohrungen zur Erforschung beantragen. Darüber müssen dann die Landesbehörden entscheiden. Gibt es grünes Licht, gelten bestehende Verbote nicht mehr.

Proteste gegen Fracking in Saal (Archivfoto: dpa)
Viele Vorbehalte gegen Fracking - auch wegen der unerforschten Folgen für die UmweltBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Expertenkommission, Landesbehörde...

Wollen die Konzerne in dem betreffenden Gebiet anschließend Gasvorkommen kommerziell fördern, kommt eine sechsköpfige Expertenkommission ins Spiel. Hat sie mehrheitlich keine Bedenken, kann die zuständige Landesbehörde die Förderung genehmigen, sie muss es aber nicht. Zudem muss eine Kommission beim Umweltbundesamt bestätigen, dass die für das Fracking verwendete Flüssigkeit keine Gefahr für das Grundwasser darstellt.

Generell erlaubt bleiben soll zudem das seit den 1960er Jahren vor allem in Niedersachsen praktizierte konventionelle Fracking in sehr tiefen Schichten wie Sandgestein. Allerdings soll es auch hier strenge Auflagen und Umweltverträglichkeitsprüfungen geben.

Der Begriff Fracking ist die Kurzform für "Hydraulic fracturing", das hydraulische Aufbrechen oder die hydraulische Rissbildung. Es ist ein Verfahren, um Erdgas oder Öl aus unkonventionellen Lagerstätten wie Schiefertonformationen, Kohleflözen und dichten Sandsteinformationen zu gewinnen. Da die Durchlässigkeit dieser Lagerstätten sehr gering ist, wird das Gestein in 1000 bis 5000 Metern Tiefe mit einem Gemisch aus Chemikalien, Sand und Wasser unter hohem Druck aufgebrochen (gefrackt). Durch die Risse kann das Gas oder Öl entweichen und über Bohrrohre an die Oberfläche gelangen.

Debatte um Schiefergasförderung

Wirtschaft macht Druck

Wirtschaftspolitiker hatten in den vergangenen Wochen darauf gedrungen, Fracking auch in Deutschland unter Auflagen zuzulassen. Sie verwiesen unter anderem auf eine mögliche Unabhängigkeit von Erdgaslieferungen aus Russland. Die Vorkommen versprechen ein lukratives Geschäft: Der renommierte Geoforscher Rolf Emmermann schätzt, dass der deutsche Gasbedarf bis zu zwölf Jahre gedeckt werden könnte. Ohne Schiefergasförderung wäre Deutschland in zehn Jahren vollständig von ausländischen Erdgaslieferungen abhängig.

In den USA und Kanada sind durch diese Art der Rohstoffgewinnung die Energiepreise gesunken. Beide Länder haben sich nach eigenen Angaben bereits unabhängig von Gas-Importen gemacht und energieintensive Betriebe angezogen.

Deutschland fördert etwa zehn Prozent seines Erdgas-Verbrauchs selbst, auch über das konventionelle Fracking. Angesichts der hitzigen Debatte über Fracking-Methoden wie in den USA haben die Behörden in den vergangenen Jahren kaum neue Bohrungen erlaubt. Vor allem Niedersachsen hatte deshalb auf ein Gesetz gedrängt, um die konventionelle Förderung zu sichern.

Schäden für Umwelt kaum erforscht

Jedoch gelten die Folgen für die Umwelt und vor allem für das Grundwasser bisher als kaum erforscht. Umweltschützer befürchten eine Verunreinigung des Trinkwassers. In den USA gibt es deshalb nach wie vor Widerstand in der Bevölkerung. Auch in Deutschland wird das Vorhaben äußerst kritisch gesehen. Die Protestfront reicht bis hin zu Bierbrauereien und Mineralwasserherstellern.

Vertreter der Grünen kritisieren den Gesetzentwurf. "Entgegen allen Behauptungen ebnet Hendricks mit diesem Entwurf den Weg für kommerzielles Fracking", beklagte die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Julia Verlinden. "Das ursprünglich angekündigte Fracking-Verbot ist damit endgültig vom Tisch, stattdessen kommt ein Fracking-Erlaubsnisgesetz." Sie warf der Bundesregierung vor, sich dem Druck der Erdgasindustrie zu beugen.

se/rb (dpa, rtr, afp)