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Moldau Kirche

12. Oktober 2009

Die Republik Moldau, seit 1991 unabhängig, gehört zu den ärmsten Ländern Europas. Hilfe ist da willkommen – ein katholischer Pfarrer aus Deutschland handelt vor Ort.

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Suppenküche der Caritas in Moldau (Foto: DW/Erdmann)
Suppenküche der Caritas in MoldauBild: Erdmann

Zügig kommt Pfarrer Klaus Kniffki in die Suppenküche der Caritas und stellt sich an das Ende eines langen Esstischs. Er faltet die Hände und spricht das Gebet. Die 12 Frauen und Männer haben den Kopf gesenkt, sitzen mit gekrümmten Rücken und müden Gesichtern am Tisch. Es ist Mittagszeit in der Suppenküche der Caritas in Stauceni. Ein Ort, nur acht Kilometer von Moldaus Hauptstadt Chisinau entfernt. Nach dem Gebet schleppt der 62 Jahre alte Pfarrer eine große Suppenschüssel in den Essraum. "Heute gibt es die berühmte Borschtsch-Suppe. Also aus Rote Beete und Kraut, und mit viel Fett und Öl drin“. "Die Leute“, erzählt Kniffki, "können so viel nehmen wie sie wollen“. Für viele sei die Suppe die einzige Mahlzeit des Tages. Dazu gibt es Tee und so viel Brot wie jeder will.

Nicht mal 12 Cent

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In der SuppenkücheBild: Erdmann

Eigentlich kostet die warme Mahlzeit 2 Leu, doch der Beitrag ist freiwillig. "Kaum einer zahlt“, sagt der Pfarrer fast ein wenig enttäuscht. Für viele sind offensichtlich selbst die umgerechnet 12 Cent zu viel. Täglich kommen nach Angaben des Pfarrers rund 100 Moldauer in die Suppenküche.

Ganz vorn am Tisch sitzt eine junge Frau, die hellbraunen Haare sind kurz geschnitten. Sie ist 32 Jahre alt. Sie erzählt, dass sie behindert ist und deshalb nicht voll arbeiten kann. Der Staat zahlt ihr monatlich 200 Leu, umgerechnet 14 Euro. Von der neuen liberalen Regierung erhofft sie sich mehr Unterstützung. Dabei bleiben ihre Wünsche bescheiden: Schon mit dem doppelten Pension wäre sie zufrieden. "Dann könnte ich wenigstens die Medikamente zahlen.“ Eine alte Frau, die ihr gegenübersitzt, beschimpft sie: Was sie sich beschwere, immerhin bekomme sie genau die gleiche Pension wie sie selbst, ohne dafür Jahre schwer gearbeitet zu haben.


Armenhaus Europas

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Pfarrer Klaus KniffkiBild: Erdmann

Die noch junge Republik Moldau ist das Armenhaus Europas. Das durchschnittliche Monatseinkommen lag 2008 bei etwa 140 Euro. Wie groß die Armut ist, zeigt sich vor allem auf dem Land. Pfarrer Klaus Kniffki fährt nur wenige Kilometer aus dem Dorf Stauceni heraus. Schon sind die Straßen staubig. Wenn es regne, erzählt er, werde hier alles zu einem Schlammhaufen. Auf den ersten Blick wirken die Vorgärten idyllisch, doch sind sie das einzige Hab und Gut der Menschen. Hühner teilen sich einen fünf Mal fünf Meter großen Platz mit einer Kuh.

Es gibt Strom, aber kein fließendes Wasser. Klaus Kniffki besucht eine alte Frau. Sie pflegt ihren kranken Sohn Pavel. Der junge Mann war früher Soldat im russischen Sotschi. Zwei Jahre nach seinem Abschied wurde er seiner Mutter, wund gelegen und sprachlos geworden, wieder nach Hause gebracht. Seitdem sitzt er mit starr aufgerissenen Augen unbeweglich in seinem Stuhl. Im Sommer in einem Zimmer, im Winter in einem anderen Zimmer neben an, weil dort ein Ofen steht. Seine alte Mutter schläft immer neben ihm, Platz für Intimität gibt es nicht. "Wir kriegen nicht raus, was eigentlich passiert ist mit ihm, das bleibt sein Geheimnis“, sagt der Pfarrer und streicht über Pavels Kopf. Immerhin ist es der Krankenschwester Liliana gelungen, seine zahlreichen Dekubitusse (Wundmale) zu entfernen.

Schwester Liliana ist mit dem Pfarrer so etwas wie der gute Geist der Armen. Einmal in der Woche lädt die Schwester die Schwächsten in ihr Auto, fährt sie in die Sozialstation nach Stauceni und badet sie. "Die meisten haben keine sanitären Anlagen, sind bettlägerig und arm“, beschreibt sie die Situation.

Fehlende Solidarität

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Borschtsch - lecker und nahrhaftBild: Erdmann

Neben der Sozialstation und der Suppenküche finanziert die katholische Kirche noch ein Obdachlosenheim und einen Kindergarten. Geplant ist außerdem ein Heim für behinderte Kinder, doch bisher wehrt sich nach Kniffkis Aussagen der Bürgermeister dagegen. Behinderte will er nicht in seinem schönen Dorf.

Eine ähnliche Erfahrung machte der Pfarrer bereits vor einigen Jahren während eines sehr heißen Sommers. "Damals“, erzählt er, "sind wir zum Bürgermeister gegangen und haben ihn wegen der Kinder um Wasser gebeten.“ Doch statt Hilfe sei nur die knappe Antwort gekommen: "Dann schließen Sie doch den Kindergarten.“

Immer wieder stellt der 62-Jährige solches Verhalten fest. Er macht den wirtschaftlichen Druck vieler Menschen dafür verantwortlich. Wer kann, geht ohnehin fort aus Moldau.

In den vergangenen Jahren hat ein Viertel der nur vier Millionen Einwohner das Land verlassen. Zurück bleiben die Alten und oft die Kinder, die nur noch mit einem Elternteil aufwachsen.

Kniffki, der seit 13 Jahren in Moldau lebt, sieht diese Entwicklung mit zunehmender Sorge. Er hofft, dass es der neuen liberal-demokratischen Regierung gelingt, an dieser Situation etwas zu ändern.

Autor: Kathrin Erdmann
Redaktion: Daniel Scheschkewitz