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Deutscher Orden an US-Soldaten verliehen

11. Dezember 2011

Für seinen Einsatz bei der Rettung eines schwer verletzten deutschen Soldaten in Afghanistan erhielt US-Stabsunteroffizier Peter Woken in Washington die Gefechtsmedaille. Auch der Gerettete war bei der Zeremonie dabei.

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Botschafter Peter Ammon zeichnet Sergeant Peter M. Woken aus (Foto: germany.info/C. Avril)
Der deutsche Botschafter in Washington, Peter Ammon, zeichnete Peter M. Woken ausBild: Germany.info/C. Avril

Am 17. Oktober 2010 wurde der Oberstabsgefreite Tim Focken in Afghanistan schwer verletzt. Seine Evakuierung war wegen des andauernden Feuergefechts nur aus der Luft möglich. Ein MEDEVAC-Hubschrauber der US-Armee wurde angefordert, landete unter anhaltendem Feuergefecht und brachte Focken aus dem Kampfgebiet. Zur Hubschrauber-Besatzung gehörte US Army Staff Sergeant Peter M. Woken. Der Rettungssanitäter versorgte die Wunde des deutschen Soldaten. In Washington wurde Woken in der vergangenen Woche für seinen Einsatz mit der Einsatzmedaille der Bundeswehr Gefecht ausgezeichnet, überreicht durch den deutschen Botschafter Peter Ammon. Der US-Soldat sagt über die deutsche Auszeichnung, sie zeige, dass Generäle, Botschafter und Abgeordnete die Soldaten der verschiedenen Nationen jetzt auch "als Brüder betrachten". Wer im Schlachtfeld kämpfe, wisse das schon lange.

Auch Tim Focken war für die Zeremonie nach Washington gekommen.

Oberstabsgefreiter Tim Focken (links) und US Army Staff Sergeant Peter M. Woken freuen sich über das Wiedersehen (Fotograf: copyright: Germany.info/C. Avril)
Oberstabsgefreiter Tim Focken (l.) und US Army Staff Sergeant Peter M. Woken freuen sich über ihr WiedersehenBild: Germany.info/C. Avril

DW-WORLD.DE hat mit beiden gesprochen.

DW-WORLD.DE: Tim, wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Tim Focken: Einigermaßen gut, ich bin derzeit immer noch in der Ganztags-Reha-Maßnahme, ich habe noch Rückenschmerzen und Schulterschmerzen, aber ich kann damit leben.

Welche Verletzung haben Sie denn?

Tim Focken: Ich habe eine Schuss-Bruch-Verletzung des linken Oberarms, dabei ist bei den Nerven und Muskeln alles ein bisschen kaputt gegangen. Es hat sich angefühlt wie ein starker Stromschlag und ich habe erst einmal ein paar Sekunden gebraucht, bis ich realisiert habe, ich wurde angeschossen. Ich wollte aufstehen und mein Arm lag auf dem Rücken und da war mir schon klar, dass das ein bisschen schlimmer ist.

Peter Woken: Als ich seine Verletzung gesehen habe, wurde mir bewusst, dass sie verheerende Folgen hätte haben können, weil sie sehr dicht an großen Blutgefäßen, neben dem Herzen und der Lunge war.

Tim, können Sie sich denn noch erinnern, wie Sie gerettet wurden?

Tim Focken: Ich habe noch gute Erinnerungen daran. Meine Jungs haben das Feuer weiter aufrecht halten können und dann wurde der Feinddruck so stark, da ist der Black Hawk-Hubschrauber noch mal abgedreht. Da habe ich schon gedacht, "Oh, Mensch, wie soll das denn hier überhaupt noch gut gehen." Aber dann war der Heli auf einmal unten und dann schrie der Sani, in 55 Sekunden muss ich irgendwie im Hubschrauber sein, und dann bin ich nur noch gerannt…

Sie konnten noch rennen?

Tim Focken: Ich lag erst unten die ganze Zeit im Graben und hatte einen Fentanyl-Lolli - da ist ein bisschen Morphin drin. Ich war schon ein bisschen am Schweben. Aber dann kam so ein Schub von Adrenalin, und ich habe nur noch gesehen: "Da musst du jetzt hin." Ich habe, glaube ich, irgendwie noch meinen Arm festgehalten und konnte da hin rennen und dann war ich irgendwie drin und dann waren wir auch schon direkt in der Luft.

Peter Woken: Ich war sehr überrascht, dass er noch rennen konnte. Ich habe noch nie gesehen wie ein Amerikaner – und das soll jetzt nicht negativ klingen - sich unter solchen Bedingungen so verhalten hat. Jeder normale Mensch hätte sich auf eine Trage gelegt und raustragen lassen. Aber er rannte und sprang über einen Meter hoch in den Hubschrauber und blieb bei Bewusstsein. Ich glaube, er hat das für sein Team getan. Das war sehr tapfer.

Tim Focken: Ich hatte auch schon die ganze Zeit selbst mit mir zu kämpfen, dass ich die Sache jetzt mit meinen Jungs nicht zu Ende bringen kann. Ich habe irgendwie probiert, das Beste daraus zu machen, und mich nicht auf die Verwundung zu konzentrieren, sondern meine Jungs zu unterstützen, denen ein bisschen Mut zu machen. Nicht, dass die noch denken, mit mir ist was schlimmeres oder so. Sondern sie zu motivieren, damit die weiter kämpfen können. Der Kampf war da ja noch nicht zu Ende.

Peter, es gab Explosionen am Boden und Sie konnte erst im zweiten Anlauf landen – gab es je die Überlegung an Bord des Helikopters, den Rettungsversuch abzubrechen?

Peter Woken: Absolut nicht. Es kam überhaupt nicht in Frage, dass wir ihn auf dem Boden lassen. Wenn wir mit Koalitionstruppen kämpfen, dann ist das genauso wie mit allen Amerikanern: Wir lassen niemanden zurück.

Oberstabsgefreiter Tim Focken und US Army Staff Sergeant Peter M. Woken absolvierten ein umfangreiches Programm in Washington. Dazu gehörte auch die Teilnahme an dem traditionellen Army-Navy Footballspiel (10.12.2011) und, wie hier im Bild, der Besuch der Cheerleader am Tag davor. (Fotograf: copyright: Germany.info/C. Avril)
Focken und Woken absolvierten ein umfangreiches Programm in Washington, besuchten auch die Cheerleader der Army-FootballerBild: Germany.info/C. Avril

Ist er der erste Deutsche, den Sie gerettet haben?

Peter Woken: Ja.

Kommt es öfter vor, dass Sie Mitglieder von anderen Koalitionstruppen retten?

Peter Woken: Wir retten jeden, der auf der richtigen Seite steht. Wir haben auch schon afghanische Zivilisten gerettet und afghanische Soldaten. Es fällt schwer, das zu sagen, aber wir gehen sogar raus und retten unsere Feinde.

Tim, haben Sie denn den Eindruck, dass in der deutschen Öffentlichkeit inzwischen angekommen ist, dass deutsche Soldaten tatsächlich kämpfen?

Tim Focken: Es ist nicht wirklich angekommen. Mich hat das immer so schockiert. Da wurden zum Beispiel Kameraden wieder angesprengt, und es gab eine ganz kleine Pressemitteilung. Auf der ersten Seite [der Zeitung] war irgendwas mit [Daniel] Küblböck [dem deutschen Popsänger und Castingshowstar]. Das hat mich schon sehr schockiert, das fand ich nicht sehr gut, dass eine Zeitung so eine Meldung so weit nach hinten drängen kann.

Peter, wie ist das in Amerika – es ist ja nur ein kleiner Teil der Bevölkerung im Militär aktiv. Wissen die Amerikaner Ihren Einsatz, Ihr Opfer zu schätzen?

Peter Woken: Ich glaube schon. Einige mögen gegen den Krieg sein, aber wir haben aus früheren Zeiten gelernt, dass es trotzdem gut ist, den Soldaten zu sagen, dass du dich um ihr Leben sorgst und respektiert, was sie tun.

Hatten Sie beide denn seit dem Zwischenfall schon Kontakt miteinander?

Peter Woken: Heute zum ersten Mal…

Tim Focken: Genau, was mich natürlich sehr freut.

Peter Woken: … aber ich kann Ihnen versichern, dass wir für den Rest unseres Lebens in Kontakt bleiben werden.

Tim Focken: Ich kenne keinen anderen Soldaten, der gerettet wurde, der dann noch mal seinen Lebensretter wiedertreffen konnte. [Der Empfang in Washington] ist schon eine sehr große Ehre. Und das ist genau richtig, man sollte Peter ehren und der Öffentlichkeit zeigen, dass das Miteinander gut ist. Sei es mit den Amerikanern oder mit den Briten.

Tim, was hat Sie bewogen, Soldat zu werden?

Tim Focken: Ich bin 2005 in die Bundeswehr gekommen und dachte, ich könnte als gelernter Zimmermann bei den Pionieren anfangen, mich in der Sache weiterbilden und was Gutes für mein Land tun. Dass es dann solche Ausmaße annimmt wie in Afghanistan, hätte man zu diesem Zeitpunkt gar nicht ahnen können. Aber ich bereue den Schritt nicht, auch wenn ich jetzt nicht Pionier geworden bin sondern normaler Fallschirmjäger.

Wir haben [in Afghanistan] schon einen guten Job gemacht. Man hat die Fortschritte gesehen: Die Stärkung der afghanischen Armee, dass die afghanische Polizei langsam wächst, dass die auch bereit sind, ihre Probleme selbst mit in die Hand zu nehmen.

Ich kann mich noch daran erinnern, ich bin anfangs durch die Dörfer gefahren, da haben sie uns noch mit Steinen beschmissen, und da hat man schon gemerkt: "Oh, hier ist man nicht erwünscht." Aber dann hat man da die Bevölkerung für sich gewonnen und die haben gemerkt, es läuft doch ein bisschen anders. Die meisten, glaube ich, wollen endlich mal Frieden im Land haben.

Peter Woken: Am Anfang haben sie Steine nach unseren Hubschraubern geworfen. Aber jetzt sieht man uns gerne. Wir sind da rüber geflogen und haben Fußbälle und Spielzeug zu ihnen runtergeworfen, damit sie erkennen: "OK, diese Leute sind wirklich hier, um uns zu helfen, sie nehmen meine eigenen Familienmitglieder mit und helfen ihnen." Genauso wie Tim auf dem Boden sehe ich aus der Luft, dass es eine Veränderung gibt.

Peter, warum sind Sie Soldat geworden?

Peter Woken: Um meinem Land zu dienen und um meinen Bruder zu ehren. Er war in der Navy.

Wie sind denn Ihre Zukunftspläne?

Peter Woken: Ich studiere und will einen Magisterabschluss in Automechanik machen. Meine Zeit in der Medizin ist wohl vorbei, aber ich habe meine Berufung in diesem Gebiet auf jeden Fall ausgelebt.

Tim Focken: Ich hoffe, dass meine Zukunft in der Bundeswehr liegt. Es hat sich viel getan von deutscher Seite, das Ministerium hat erkannt, dass man etwas tun muss für Soldaten, die verwundet sind. Es hängt von der Prozentzahl [der Behinderung] ab. Aber es wäre mein größter Wunsch, dass ich Berufssoldat werde.

Autorin: Christina Bergmann, Washington D. C.
Redaktion: Martin Schrader