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Die Jazzmesse "jazzahead!"

26. April 2010

Als gäbe es die Krise der Musikindustrie nicht, präsentierte sich die Jazzmesse "jazzahead!" erneut mit großen Zuwächsen. Der deutsche Jazz ist erfolgreich und findet auch internationales Publikum.

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(Foto: Messe Bremen, Frank Pusch)
Bild: Messe Bremen / Frank Pusch

Inzwischen ist sie zu einer stetig wachsenden Institution geworden und feierte dieses Jahr ihr fünftes Jubiläum: Die "jazzahead!", eine Kombination aus Jazzmesse, Konferenz, Symposium und Festival. In der Messe Bremen tummelten sich die europäischen und – seltener – außereuropäischen Aussteller: Von Jazzlabels über Künstleragenturen bis hin zu Musiker-Netzwerken, Jazz-Zeitschriften, Rundfunkredaktionen und Konzertveranstaltern.

Tagsüber ging es in Vorträgen und Podiumsdiskussionen um "freie Musik im Netz" und den Wert von Jazz; es ging um die "Halbwertzeit" von jungen Jazzmusikern: Wie überleben sie ohne intensive Förderung im hart umkämpften Konzert-Alltag in Deutschland – zumal jede CD-Produktion wieder einiges an Kapital verschlingt und sich ein Großteil der mit finanziellen Förderungen verbundenen Jazzpreise an jüngere Musiker richtet? 18 Hochschulen bieten inzwischen Jazzstudiengänge an, die Konsequenz: Immer mehr hervorragend ausgebildete Jazzer stürmen auf den Markt und müssen ums Überleben kämpfen, was nur in seltenen Fällen ohne "Nebenjob" funktioniert. Ins große Wehklagen wollten die anwesenden Diskutanten (Musiker, Labelchef, Promoterin und Hochschuldozent) allerdings nicht ausbrechen und verwiesen unter anderem darauf, wie wichtig es für die Musiker sei, sich und ihre Qualität professionell zu präsentieren und zu vermarkten – eine Aufgabe, bei der auch die Hochschulen gefragt seien.

Lebocal: Zu Gast auf der jazzahead! 2010 in Bremen (Foto: JC Hernandez)
Lebocal: Zu Gast auf der jazzahead! 2010 in BremenBild: JC Hernandez

German Jazz Meeting

Das im Rahmen der "jazzahead" alle zwei Jahre stattfindende "German Jazz Meeting" ermöglicht es deutschen Musikerinnen und Musikern, die Aufmerksamkeit von nationalen und internationalen Veranstaltern zu erringen und somit an weitere Auftrittsmöglichkeiten zu gelangen. An zwei Tagen hatten zwölf verschiedene, von einer Fach-Jury ausgesuchte Formationen Gelegenheit zu einem 20-minütigen Kurzauftritt. Genug Zeit für Labelchefs oder Konzertveranstalter, um sich ein Bild von Stil, Musikalität und Live-Qualität der jeweiligen Band zu machen. Die Ursprungsidee zu dieser Präsentation deutscher Bands stammt von Rainer Michalke, Leiter des Moers Festivals und Peter Schulze, langjähriger Leiter des Berliner Jazzfestes und künstlerischer Berater der "jazzahead". Die Idee ist an sich nicht neu, aber überzeugend: In Anlehnung an das "Dutch Jazz Meeting" haben sie diese Kurzkonzerte konzipiert und konnten in vergangenen Jahren bereits einige Erfolge verzeichnen: So wurde etwa der Posaunist Nils Wogram direkt nach seinem Auftritt für das englische Bath-Festival engagiert und auch andere Musiker berichten von vermehrten internationalen Aktivitäten.

Kouyaté-Neerman: Zu sehen im Late-Night-Programm (Foto: Manuel Lagos Cid.)
Kouyaté-Neerman war im Late-Night-Programm zu sehenBild: Manuel Lagos Cid.

Von Eric Dolphy und analogem Sampling

Die musikalische Bandbreite beim diesjährigen "German Jazz Meeting" reichte vom Solo-Piano bis zur 20-köpfigen Großformation, von afrikanisch beeinflussten Klängen über melodischen Jazzpop bis hin zu verspieltem Eklektizismus und freier Improvisation. Die Berliner Saxofonistin Silke Eberhard etwa spielte mit ihrem Bläserensemble "Potsa Lotsa", bestehend aus zwei Saxofonen, Trompete und Posaune: Ungebärdig und humorvoll widmete sie ihr aktuelles Programm dem amerikanischen Saxofonisten und Komponisten Eric Dolphy, dessen Stücke sie auf ungewöhnliche Weise arrangiert hat. Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ auch der Auftritt des Saxofonisten Daniel Glatzel mit seinem 20-köpfigen "Andromeda Mega Express Orchestra": Der Komponist und Bandleader zeigte, dass die Sache mit dem Jazz keinesfalls nur bierernst ist und man problemlos die wunderlichsten Stile miteinander kombinieren kann: In einer Art analoger Sampling-Technik fügte er Filmmusikalisches, Rock, Easy Listening, Minimalmusic, Swing und freie Passagen aneinander.

Andromeda Mega Express Orchestra beim German Jazz Meeting (Foto: Alien Transistor)
Andromeda Mega Express Orchestra beim German Jazz MeetingBild: Alien Transistor

Und außerdem? John Mc Laughlin erhielt den diesjährigen Skoda-Award und spielte mit seiner Band "4th dimension"; bei den Late Night-Konzerten überzeugten unter anderem Ensembles wie die belgische "Flat Earth Society" oder die deutsch-dänische Band "Schneeweiß und Rosenrot". Und alle warten gespannt, inwieweit die in diesem September neu geplante "Jazzkomm" (im Rahmen der Popkomm) in Berlin eine Konkurrenz zur "jazzahead" sein kann – denn die hervorragenden Konzerte, das fast familiäre Klima und die gewachsenen Strukturen der Bremer "jazzahead" müssen erst einmal erreicht werden.

Autorin: Anja Buchmann
Redaktion: Matthias Klaus