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Deutscher Außenhandel verbucht neuen Rekord

Sabine Kinkartz, Berlin28. April 2016

Europa ist in der Krise, China schwächelt und die Weltwirtschaft orientiert sich neu. Trotzdem boomt die deutsche Wirtschaft und die Exporte sollen 2016 um mehr als vier Prozent zulegen. Wie kommt das?

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Hamburg Deutsches Containerschiff Fahne
Bild: picture-alliance/chromorange/C. Ohde

Automobile, Maschinen und chemische Erzeugnisse, das sind die Verkaufsschlager deutscher Unternehmen im Ausland. Zusammen stehen diese drei Branchen für 42 Prozent der gesamten Exporte. In diesem Jahr werden Waren im Wert von rund 1.250 Milliarden Euro ins Ausland verkauft. Das wäre ein Plus von 4,5 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. Die Importe, allen voran Computer und Zuliefererteile für die Autoindustrie, sollen um bis zu vier Prozent auf einen Warenwert von 986 Milliarden Euro anwachsen.

Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), spricht von einer "kaum zu ermessenden Leistung der deutschen Wirtschaft" und "einzigartigen Erfolgsserie". Deutschland profitiere von Offenheit, Freihandel und globalisierten Lieferketten. "Ohne günstige Zulieferungen aus der ganzen Welt wären die deutschen Maschinen und Autos schon lange nicht mehr wettbewerbsfähig", so Börner.

China Automesse in Peking - Daimler Dieter Zetsche
Dem Abgasskandal zum Trotz: Deutsche Autos sind weltweit gefragt, Daimler-Chef Zetsche kann sich freuenBild: Reuters/D. Sagolj

TTIP immer unwahrscheinlicher

Nur noch gut ein Drittel der deutschen Exporte geht in die EU. Die wichtigsten Absatzmärkte sind die USA, gefolgt von Frankreich, England und China. Angesichts der Tatsache, dass die Ausfuhren in die USA im vergangenen Jahr um 19 Prozent auf 114 Milliarden Euro zugelegt haben, hat Anton Börner den Besuch von Barack Obama auf der Hannover Messe natürlich genau verfolgt. Gemeinsam mit der Kanzlerin hat der Präsident die Werbetrommel für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP gerührt. Er glaube, dass es in diesem Jahr noch möglich sein werde, die Verhandlungen abzuschließen, hat Obama gesagt.

Und der BGA-Präsident? "Schwer zu beurteilen", sagt er und legt die Stirn in Falten. "Von deutscher Seite würde es klappen können und auf Seiten der EU sind die Wiederstände nicht pauschal vorhanden." Von amerikanischer Seite sei die Stimmung im Wahlkampf aber sehr aufgeheizt und nun sei auch noch Hillary Clinton, die wahrscheinlich für die Demokraten ins Rennen um die Präsidentschaft gehen wird, gegen TTIP. "Also dann würde ich eher sagen, ich glaube es nicht", legt sich Börner fest und bedauert diese Aussicht.

Deutschland Anton F. Börner BGA-Präsident
BGA-Chef BörnerBild: DW/N. Jolkver

Wer legt die Regeln fest?

Bei dem Abkommen gehe es schließlich um viel mehr als um genormte Rückspiegel. "Letztlich geht es um die Frage: Wollen sie lieber nach einer chinesischen Melodie tanzen? Ohne Meinungs- und Pressefreiheit?" Als in China aktiver Unternehmer wisse er, wovon er rede. "Man überlegt sich genau, was man sagt und was man nicht sagt und wir merken auch, dass die Schraube angezogen wird." Alle drei Monate würden neue Bestimmungen eingeführt. "Neuerdings sitzt ein Funktionär dabei, wenn sie mit ihrem Mitarbeiter sprechen", berichtet der Außenhändler. "Das ist mir unsympathisch, das will ich nicht. Warum kann ich mit meinem Mitarbeiter nicht offen reden? Nein, da sitzt einer dabei, den ich nicht kenne und der alles mitschreibt."

Auch mit Blick auf die Türkei sei zu fragen: "Muss das alles so sein, wollen wir das?" TTIP sei nötig, um festzulegen, nach welchen Spielregeln Wirtschaft und Handel im 21. Jahrhundert ablaufen sollten, so Börner. Wenn das Abkommen dieses Jahr nicht mehr über die Bühne gehen werde, würden die Verhandlungen erst einmal auf Eis liegen und vielleicht 2018 wiederbelebt werden. Ein Umstand, mit dem die deutsche Exportwirtschaft dann aber wird leben müssen. Wie mit so vielen anderen Krisen auf dieser Welt.

Was wird aus Italien?

Von denen, so glaubt man beim BGA, werde in diesem Jahr aber keine eskalieren. Der Euro werde schwach bleiben, dafür werde EZB-Chef Mario Draghi mit seiner lockeren Geldpolitik und den auf Null gesetzten Zinsen schon sorgen. Konjunkturstützend wirken sich auch die niedrigen Rohstoffpreise aus. Gleiches gilt für den stabil wachsenden Konsum in Deutschland. "Da sehen wir auch keine Änderung, man kann also sagen, das gesamte real existierende wirtschaftliche Umfeld beurteilen wir nicht so schlecht", so der Handels-Präsident, der auch der Entscheidung Großbritanniens für oder gegen einen Verbleib in der EU gelassen entgegensieht, da er nicht an einen tatsächlichen Brexit glaubt.

Katar Doha Treffen erdölfördernder Länder
Der Ölpreis bleibt niedrig, weil sich die erdölfördernden Länder nicht auf eine Drosselung der Förderquoten einigen könnenBild: picture-alliance/dpa

Auch die wirtschaftliche Lage in China habe viel von ihrer Dramatik verloren. "Die steuern auf eine sanfte Landung hin." Alarmiert ist Börner hingegen von dem Plan, den Brenner, also die Grenze zwischen Italien und Österreich dicht zu machen. "Das würde uns massiv belasten und zwar nicht nur uns, sondern auch die Italiener." Zum einen sei dann eine "Just-in-Time-Belieferung" für die süddeutsche Industrie sofort zu Ende. Italien aber lebe vom Export auf den deutschen Markt. "Sie können mit der italienischen Binnenwirtschaft nicht weiter kommen und dann die Friktion, die wir in der EU haben, um noch eine Veranstaltung reicher."

Probleme im Iran

Ernüchterung hat sich in der deutschen Exportwirtschaft mit Blick auf den Iran breit gemacht. Herrschte nach dem Atom-Deal mit Teheran noch eine Art Goldgräberstimmung, müssen deutsche Unternehmen nun feststellen, dass es überall hakt.

Deutsche Firmen hoffen auf iranischen Markt

Es ist noch nicht klar, welche Geschäfte wirklich erlaubt sind und welche nicht. "Iran ist immer noch auf schwarzen Listen und da gibt es keine Hermesbürgschaften, keine Finanzierungen, keine Zahlungsabwicklungen", stellt der BGA-Präsident fest. Besonders hart wirke sich die US-amerikanische Sanktionsliste aus, die sehr restriktiv ausgelegt werde. "Wenn sie zum Beispiel als deutscher Exporteur mehr als zehn Prozent aus den USA importieren, dann werden sie nach amerikanischem Recht als amerikanische Firma betrachtet und dürfen sie nicht in den Iran exportieren."

Probleme, die sicherlich auf der anstehenden Reise des Bundeswirtschaftsministers nach Teheran auf der Agenda stehen werden. Sigmar Gabriel wird den Iran in der kommenden Woche mit einer Wirtschaftsdelegation besuchen.