1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutsche Werften tun sich schwer

Frank Pfaff (dpa)29. August 2012

Der deutsche Schiffbau befindet sich seit Jahren in schwerer See. Mit den P+S-Werften in Vorpommern ist erneut ein Unternehmen gestrandet, das nicht rechtzeitig auf die Signale zum Umsteuern reagierte.

https://p.dw.com/p/15zSI
isolated leader paper ship © Csaba Peterdi #4948573
Isoliertes FührungsschiffBild: Fotolia/Csaba Peterdi

In Stralsund liegen zwei große Fähren am Ausrüstungskai der insolventen P+S-Werft. Längst sollten die Schiffe für die Reederei Scandlines Menschen und Güter zwischen Deutschland und Schweden transportieren. Doch sie liegen fest, weil sie auch Monate nach dem vereinbarten Abgabetermin noch immer nicht fertig sind. Denn die Werft hat - wie viele andere deutsche Schiffbaubetriebe auch - zu lange auf die Massenfertigung von Containerfrachtern gesetzt, den Wechsel zum einträglicheren Spezialschiffbau nicht rechtzeitig geschafft und dafür nun die Quittung erhalten.

Schwerer Ganz zum Insolvenzgericht

Trotz voller Auftragsbücher und staatlich verbürgter Liquiditätshilfen von 152 Millionen Euro musste P+S-Geschäftsführer Rüdiger Fuchs nun doch Insolvenz anmelden. Er war erst Anfang August mit der Leitung der traditionsreichen Werften in Stralsund und Wolgast betraut worden, konnte das Ruder aber nicht mehr herumreißen. Zu lange hatten seine Vorgänger Frachter in Serie produziert und den Schwenk hin zum Bau spezialisierter Wasserfahrzeuge dann offenbar ohne Vorbereitung vollzogen. "Man hat sich hier auf dem Weg vom Serienschiffbauer hin zum Spezialschiffbauer zu viel vorgenommen", konstatierte der erfahrene Sanierer, nachdem er festgestellt hatte, dass zum Teil ohne vollständige Konstruktionsunterlagen gebaut wurde.

Rund 1750 Werftarbeiter im ohnehin industrieschwachen Vorpommern stehen nun vor einer ungewissen Zukunft. Sie teilen damit das Schicksal, das Tausenden ihrer Kollegen an anderen Werftstandorten in Deutschland schon Jahre zuvor widerfahren war.

Werftensterben traurige Tradition

1996 etwa, als mit dem Bremer Vulkan der größte deutsche Werftenverbund in Konkurs ging. Oder 2004, als die Lloyd Werft Bremerhaven Insolvenz beantragte, 2008 bei der Pleite der Kieler Traditionswerft Lindenau, 2009, als die Wadan-Werften in Wismar und Rostock-Warnemünde trotz staatlich verbürgter Kredite in dreistelliger Millionenhöhe zahlungsunfähig wurden. Oder 2011, als mit der Hamburger Sietas-Gruppe Deutschlands älteste Werft in die Insolvenz ging. Zwar gelang aus der Zahlungsunfähigkeit heraus meist ein Neuanfang, dann aber mit deutlich weniger Beschäftigten.

Schon seit langem ist der deutsche Schiffbau auf Schrumpfkurs: Zu stark ist die Billigkonkurrenz aus Fernost. Obwohl Branchenkenner schon Mitte der 1990er Jahre mahnten, den "Schiffbau von der Stange" aufzugeben und sich auf technisch anspruchsvollere Schiffe zu konzentrieren, machten dies längst nicht alle so konsequent, wie etwa die Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg. Diese hatte sich frühzeitig mit dem Bau von Kreuzfahrtschiffen einen lukrativen Schiffbauzweig gesichert. Oder die Lürssen Werft in Bremen, die nach Angaben des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik mit dem Bau großer Yachten und Militärschiffe gut am Markt besteht.

Dramatischer Jobabbau

Im Vereinigungsjahr 1990 waren auf den Werften an Nord- und Ostsee sowie im Binnenschiffbau nach Angaben des Branchenverbandes noch rund 63 000 Menschen beschäftigt. Heute sind es mit rund 20 000 knapp ein Drittel, die aber mit einem Branchenumsatz von 4,9 Milliarden Euro im Jahr 2011 soviel erzielten wie 1990. Das bisherige Spitzenjahr war laut Verband 2010 mit 7,9 Milliarden Euro Umsatz. Vor allem im Osten war der personelle Aderlass groß, auch weil sich die Werften dort vielfach von branchenfremden Bereichen trennten. 29 000 Beschäftigte gab es einst in den Schiffbaubetrieben Mecklenburg-Vorpommerns. Nach diversen Umbrüchen und Eigentümerwechseln sind den Angaben des Schweriner Wirtschaftsministers Harry Glawe (CDU) zufolge heute noch etwa 3000 Schiffbauer übrig. Allein die Stralsunder Volkswerft hatte bis zur jüngsten Insolvenz vier Besitzer.

Doch gelten die Werften in Wismar, Rostock, Stralsund und Wolgast als modern, sie wurden mit staatlicher Hilfe in Milliardenhöhe technisch aufgerüstet. Die Werft in Wismar, heute in russischer Hand, hofft mit dem Bau von Plattformen für den Stromübertragung von Windparks auf See zum Land ein zukunftsträchtiges Feld gefunden zu haben. Und auch die zu P+S gehörende Werft in Wolgast hat nach Überzeugung von Geschäftsführer Fuchs als Produzent von Militär- und Behördenschiffen ein "im Kern tragfähiges Geschäftsmodell".

Die Bundesregierung sieht nach den Worten ihres Koordinators für die Maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto, für den deutschen Schiffbau trotz der jüngsten Rückschläge gute wirtschaftliche Chancen. "Auch im Zusammenhang mit der Energiewende können die grundsätzlich leistungsfähigen und spezialisierten Werften in Deutschland im Weltmarkt bestehen", zeigte sich Otto überzeugt.