1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kulturelle Brücken

6. Februar 2010

Zu kommunistischen Zeiten hatte es die deutsche Minderheit in Polen schwer. Heute ist sie anerkannt und versteht sich als Mittler zwischen den Kulturen. Doch sie kämpft mit einem Problem: Der Nachwuchs fehlt.

https://p.dw.com/p/Lsrp
Mehrere Senioren sitzen an einem Kaffeetisch zusammen (Foto: Dr. Justyna Bronska)
Kaffeekränzchen auf DeutschBild: DW

Ein bescheidenes Haus in einer kleinen Nebenstraße im Danziger Vorort Wrzeszcz. Aus dem oberen Stockwerk klingt deutschsprachige Musik. Rund dreißig Männer und Frauen singen gemeinsam Schlager und Volkslieder. Heimatliche Klänge, die das Herz der überwiegend Hochbetagten höher schlagen lassen.

Eine verbotene Sprache

Vereinsschild an einem Haus (Foto: Justyna Bronska)
Mit ihrem Verein möchten die Danziger Deutschen auch kulturelle Brücken bauenBild: DW

Jeden Mittwoch treffen sich die Danziger Deutschen, wie sie sich selber nennen, in diesem Vereinshaus. Margarite Schanowski, eine dynamische Dame um die 70 Jahre, kommt regelmäßig zu den Treffen, "weil wir unsere Sprache noch nicht ganz vergessen haben und weil wir sie mögen", erklärt sie. Lange Zeit haben sich die Deutschen in Polen nicht getraut, ihre Sprache zu sprechen und ihre Kultur zu pflegen. Während der kommunistischen Zeit war es zu gefährlich. Darum können Schanowskis Kinder heute auch kein Deutsch, sondern nur Polnisch.

"Es galt damals die sozialistische Parole, wonach Polen ein einheitliches Volk ist. Offiziell gab es keine Minderheiten und daher wurden sie auch nicht zugelassen", erklärt Paul Sabiniarz, Vorsitzender des Vereins. Nach dem Zweiten Weltkrieg verließen viele Deutsche die einstige deutsche Reichsstadt, die nun zu Polen gehörte. Diejenigen, die blieben, passten sich an und sprachen Deutsch nur noch im privaten Kreis, wenn überhaupt.

Kein Minderheiten-Programm

Häuser in Danzig an einem Fluss (Foto: picture-alliance/dpa)
Danzig hat eine deutsche VergangenheitBild: picture-alliance / dpa

Nach der Wende 1989 änderte sich die Situation. Damals wurde auch der Verein der Danziger Deutschen gegründet, die sich endlich als Minderheit zu erkennen geben konnten. Heute leben nach offiziellen Angaben rund 150.000 Personen in Polen, die deutschsprachig sind. 5000 von ihnen wohnen in Danzig.

Die Danziger Deutschen, die mit Mitteln der Bundesregierung gefördert werden, engagieren sich heute auch als kulturelle Brücke: Sie bieten deutschsprachige Theaterfestivals an Schulen, deutsche Kinofilme und kleine Liederkreise bei Kaffee und Kuchen an. "Heute können wir uns als Deutsche Minderheit ganz frei bewegen und dürfen die deutsche Sprache wieder benutzen. Wir haben nie Vorwürfe gehört, dass wir uns hier als Deutsche organisieren und Deutsch sprechen", sagt Paul Sabiniarz. Alle größeren Veranstaltungen richten sich nicht nur an die deutsche Minderheit , sondern auch an die polnische Mehrheitsbevölkerung und finden bei entsprechendem Interesse auch schon mal im großen Saal des historischen Rathauses statt.

Der Nachwuchs fehlt

Paul Sabiniarz (Foto: Justyna Bronska)
Paul Sabiniarz engagiert sich im VereinBild: DW

Eine Großveranstaltung ist beispielsweise das deutschsprachige Schülertheater-Festival, das seit sechs Jahren aufgeführt wird. Schüler aus Danzig und der Umgebung schreiben Theaterstücke und führen sie auf - natürlich auf Deutsch. Die Förderung des Nachwuchs' liegt dem Verein besonders am Herzen. Denn von den rund 2000 registrierten Mitgliedern sind die meisten inzwischen mindestens 80 Jahre alt. Wenn sich daran nichts ändert, wird die deutsche Minderheit in Danzig bald ausgestorben sein. "Wir haben hier eigentlich keine Jugend, weil sie ausgewandert ist, das ist unser Problem", klagt Vereinsführer Sabiniarz, während im Nachbarzimmer gerade vielstimmig das Kufstein-Lied angestimmt wird, ein Volkslied, das 1947 komponiert wurde. Das Liedgut einer jungen Generation klingt anders, nicht nur auf Deutsch.


Autorin: Justyna Bronska
Redaktion: Julia Kuckelkorn