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Deutsche verlieren Vertrauen in die EU

Alexander Kudascheff 6. April 2005

Auf eines konnte man in der Vergangenheit immer setzen: auf die Europabegeisterung der Deutschen. Die scheint nun verflogen. Alexander Kudascheff sucht nach Ursachen und Abhilfe.

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Alexander Kudascheff

So richtig beliebt sind die Deutschen nicht. Aber wahrscheinlich leiden sie selber am meisten darunter. Andere Völker, andere Länder leben mit den Stereotypen, die über sie im Umlauf sind, besser oder zumindest entspannter. Die Deutschen horchen dagegen gerne auf das, was über sie gesagt, geschrieben, gedacht oder verschwiegen wird. Ein Zeichen von Unsicherheit oder - wie übel meinende Psychologen auch sagen könnten: ein Zeichen eines ausgeprägten Minderheitskomplexes.

Doch in einer Bastion, so sehen es die Deutschen und so sehen es die anderen übereinstimmend, sind die Deutschen Champions: in ihrer Europabegeisterung. Mögen die Deutschen im Fußball nachgelassen haben, mögen sie weniger Nobelpreise einfahren als sie von sich selbst erwarten, mögen sie in der Wirtschaft zum Schlußlicht Europas abgestiegen sein - als Europäer sind sie die Nummer Eins. Dachte man. Alles falsch.

Nur noch Briten sind skeptischer

Denn die Deutschen, so hat eine Umfrage ergeben (allerdings unter amerikanischen Vorzeichen), mißtrauen inzwischen Europa und dem Euro so, dass sie nur noch von den Briten mit deren traditionellen Europaskepsis überflügelt und abgehängt werden. Die Deutschen - sie lieben die Ehe und die Polizei, sie hören lieber Radio als fernzusehen, auch die Bundeswehr und die Post kommen ganz gut weg. Beim Euro aber und bei der Europäischen Union sehen sie rot oder schwarz. Gerade einmal ein Drittel aller Deutschen findet, dass man zur EU und zum EU Vertrauen haben kann.

Eine schallende Ohrfeige für Europa, ohne Frage. Und es kann auch niemand trösten, dass die Gewerkschaften und die eigene Regierung schlechter abschneiden als die EU und der Euro. Die sind eh in allen Umfragen unten durch. Europa aber - das hatte - so glaubte man bisher - doch seinen eigenen magischen Klang für die Deutschen. Weit gefehlt. Europa hat abgewirtschaftet. Und es ist wirklich ein Glück, dass niemand in Deutschland die europäische Verfassung dem Volk zur Abstimmung vorgelegen konnte. Das wahrscheinliche deutsche Nein hätte dann sicher gut zum wahrscheinlichen französischen Non gepaßt.

Ein Richtlinie für Europabegeisterung

Eine ganz neue Rolle für den deutsch-französischen Motor - mit oder ohne Rußpartikelfilter. Oder eine Aufgabe für die omnipotente europäische Kommission? Wie wäre es z.B. mit einer Richtlinie zur Europabegeisterung? Und wenn Bund, Länder und Kommunen sie - wie beim Feinstaub - schlecht umgesetzt haben, dann drohen Strafen in Milliardenhöhen. Wäre doch gelacht, wenn man die Deutschen nicht wieder zu begeisterten Europäern machen könnten. Denn beim Geld hört ja bekanntlich der Spaß auf. Selbst im neuen Deutschland ohne Europaenthusiasmus. Und vielleicht hat Rumsfeld doch recht, und die Deutschen zählen zum alten Europa. Erschöpft und wenig begeistert, aber mit einem Hang zu stabilen Verhältnissen. Doch warum glauben sie dann an die Ehe?