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Deutsche Sprachinseln im Trentino

23. Januar 2002

Südwärts ziehende deutsche Urlauber lassen Trient und das Umland häufig links liegen. Das ist schade, denn das Trentino, die kleine Provinz südlich von Südtirol, ist ein wunderschönes Reiseland.

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Der Marktplatz in TrientBild: Illuscope

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind die Provinzen Bozen und Trient zur Autonomen Region Trentino-Südtirol zusammen gefügt. Südtirol ist der Übergang vom Norden zum Süden, vom Alpinen zum Mediterranen, von der Kultur Goethes zur Kultur Dantes. Das Land an Etsch und Eisack hat 435.000 Einwohner, die Deutsch, Italienisch oder Ladinisch sprechen.

In Trient verschmelzen alpenländische und italienische Elemente

Ausgangspunkt dieser Reise ist Trient beziehungsweise Trento. Die Stadt ist nicht mehr ganz so deutsch wie Südtirol und vielleicht noch nicht so italienisch wie das übrige Italien. In der Altstadt verschmelzen alpenländische und italienische Elemente. Auf der Piazza Duomo blickt man auf den romanischen Dom, wo ab 1545 mit Unterbrechungen knapp 18 Jahre lang das 19. Konzil erfolglos bemüht war, die abgespaltenen Glaubensrichtungen der Lutheraner, Anglikaner und Calvinisten wieder unter dem römisch-katholischen Mantel zu vereinen.

Auf der Platzmitte ein Neptunbrunnen. Dann das Ensemble der schönen Rella-Häuser, deren Fresken aus dem 16. Jahrhundert von alten Legenden und Tugenden erzählen. Auf der Prachtstraße, der Via Belenzani, reihen sich prächtige Renaissance-Palazzi aneinander. Nicht nur im so genannten "deutschen Viertel" mit Laubengängen und Tiroler Bauweise spricht man noch Deutsch. Deutsch wird an den Schulen immerhin als erste Fremdsprache unterrichtet. Eine weitere Sehenswürdigkeit der Stadt ist das Castello del Buonconsiglio, in dessen Adlerturm wunderbare Monatsbilder mit kompositorischer Feinheit Natur und Leben von Volk und Herrschaft darstellen.

Eine deutsche Sprachinsel: Das Fersental

Von Trient aus fahren wir durch das Valsugana ins knapp zwanzig Kilometer entfernte Fersental, ins Valle die Mòcheni, ins Bersntol, wie die Einheimischen sagen. Eine deutsche Sprachinsel in einem oberitalienischen Hochtal: Gereut, Eichleit, Florutz, Palai heißen die Hauptorte. Einige Weiler und Bergbauernhöfe liegen auf über 1300 Metern. Hier sprechen die Menschen eine Sprache, die nach Meinung von Sprachforschern auf das Mittelhochbayerische zurückgeht. Im 13. Jahrhundert hatte der Trentiner Fürstbischof Friedrich von Wangen Bayern und Schwaben als Bergknappen ins Land geholt, um die Erzbergwerke östlich der Stadt Pérgine ausbeuten zu können.

Die deutschsprachigen Fersentaler pflegen alte Traditionen wie das Sternsingen oder den Fasching mit den beiden Hauptfiguren "Becio" und "Becia". Aus Südtirol empfangen sie deutschsprachige Radiosendungen, und über Satellit gelangen deutsche Fernsehsendungen in das Hochtal, das der österreichische Schriftsteller Robert Musil als ein "verzaubertes Tal" bezeichnet hat.

Der Tourismus, der auch einen Beitrag zum Überleben dieser Sprachinsel leisten könnte, ist noch recht bescheiden. Es gibt ein halbes Dutzend Gasthöfe, in alten Heustadeln sind mit viel Aufwand hübsche Ferienwohnungen entstanden. Das Bergwerksmuseum "Grua va Hardömbl" in Palai erinnert an die Knappen aus Bayern, Sachsen und Schwaben, die hier Silber und Blei gefördert haben. Der restaurierte Bauernhof "Filzerhof" bringt dem Besucher die Geschichte des Fersentales und das Leben der deutschen Siedler näher.

In Lusern sprechen nur noch 300 Menschen Zimbrisch

"Bolkent im Land von Zimbarn - Willkommen im Land der Zimbern" steht auf einer großen Holztafel am Ortsrand von Lusern oder Luserna, wie die Italiener sagen. Das kleine Dorf erreicht man nach einer längeren Bergfahrt durch eine atemberaubend schöne Landschaft, durch die karstig-trockene und dennoch grüne Hochfläche von Folgaria und Lavarone, durch ein gut erschlossenes Wander- und Skigebiet. Hier, im Talschluss, ist die südlichst gelegene ethnische Insel der Alpen, der einzige Ort der Welt, wo heute noch rund 300 Bewohner untereinander Zimbrisch sprechen. Das ist jener mittelhochdeutsche Dialekt, den ihre im 12. Jahrhundert wegen Pest und Hungersnot aus Bayern ausgewanderten Vorfahren mitgebracht haben.

Die Gemeinde hat in einem alten Bauernhaus ein Dokumentationszentrum eingerichtet, das in verschiedenen Ausstellungen über Geschichte, Tradition und Kultur der Zimbern informiert. Doch sind von den 320 Einwohnern von Lusern 128 über 60 Jahre alt, nur 25 sind jünger als 18. Ganze drei Kinder besuchen den Kindergarten. Die Kleinen sprechen nur Italienisch, die Sprache der Mutter oder des Vaters, und sollen in der Mittagspause auf spielerische Weise Zimbrisch lernen. In der zweiklassigen Grundschule mit nur sechs Schülern und zwei Lehrerinnen unterrichtet eine in Köln geborene Frau, deren Vater aus Lusern stammt, Deutsch.

Die Zimbern hoffen vor allem auf deutsche Touristen

Man setzt hier große Hoffnungen in den Tourismus. Ehemalige Luserner sollen zumindest im Urlaub zurückkehren, vor allem deutschsprachige Touristen sollen den Zimbern zeigen, wie wichtig die deutsche Sprache auch für den Erhalt ihrer alten zimbrischen Sprache ist. Das touristische Angebot ist in Lusern um einiges besser als im Fersental. Es gibt hervorragende Wander-, Mountainbike- und Skimöglichkeiten. In Luserna gibt es zur Zeit ein komfortables Jugend- und Familienhotel sowie eine Einrichtung des so genannten Agroturismo, also Urlaub auf dem Bauernhof. Dazu gibt es ein paar Restaurants.

Trentino ist das Polenta-Land in Norditalien, doch sind "Strangolapreti" genannte Spinatklößchen, Kaninchen, Wild und Speck weitere Spezialitäten einer Küche am Übergang vom Deftig-Alpinen zum Feinen-Mediterranen. Gerd Schmitz/(pg)