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Deutsche Industrie besorgt wegen US-Rückzug

9. Mai 2018

Wirtschaftsvertreter sind enttäuscht über den US-Ausstieg aus dem Iran-Nuklearabkommen. Airbus droht der Verlust milliardenschwerer Aufträge. Rückschläge wird es auch für die iranische Wirtschaft geben.

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Iran Air Airbus
Bild: Imago

US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag nicht nur angekündigt, sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurückzuziehen, sondern auch mit neuen Sanktionen gedroht. In diesem Zusammenhang kündigte US-Finanzminister Steven Mnuchin an, Airbus und dem Rivalen Boeing die Lizenz zum Verkauf von Passagiermaschinen an Iran zu entziehen. Die beiden Firmen sagten, sie wollten die US-Entscheidung prüfen. Zu möglichen Ausfällen wollten sie sich nicht äußern.

Damit steht die Bestellung von 200 Fliegern für IranAir mit einem Listenpreis von Ingesamt 38,3 Milliarden Dollar auf der Kippe. Die Hälfte dieser Aufträge entfällt auf Airbus. Erschwerend komme hinzu, dass der europäische Konzern diese Bestellungen bereits in seine Bücher aufgenommen habe, sagte Analyst Richard Aboulafia vom Branchendienst Teal.

Siemens hält sich mit Bewertung zurück

Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas hält sich mit einer Bewertung des Ausstiegs der USA aus dem Iran-Abkommen zurück. "Wir nehmen zur Kenntnis, dass eine der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt eine politische Entscheidung getroffen hat", sagte Thomas am Mittwoch in München. Als Industrieunternehmen müsse Siemens damit umgehen. Man sei noch dabei, die Folgen zu analysieren. Der Industrieriese werde sich selbstverständlich an alle Export-Vorschriften halten, betonte Thomas mit Blick auf drohende neue Sanktionen. Vor fünf Jahren hätte diese Entscheidung der US-Regiering auf jeden Fall das weltweite Investitionsklima eingetrübt, heute sei er sich da nicht so sicher.

Erst im vergangenen Jahr hatte Siemens einen Sonderertrag von 130 Millionen Euro verbucht, weil Aufträge im Iran nach dem Ende der Sanktionen wieder auflebten. "Wir werden Dinge, die wir begonnen haben, im rechtlichen Rahmen auch zum Ende bringen", sagte Thomas.

Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Dieter Kempf, "bedauert den Rückzug der USA aus dem so mühselig und langwierig verhandelten Atomabkommen zutiefst." Jetzt müsse es der EU gelingen, mit Russland und China ein deutliches Bekenntnis zu den im Atomabkommen getroffenen Vereinbarungen abzugeben, fordert Kempf. Dabei gehe es um Glaubwürdigkeit in der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Die Europäische Union will nach den Worten der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini trotz der Entscheidung der USA an dem Atomabkommen festhalten.

US-Forderung an deutsche Unternehmen 

Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, forderte über den Kurzbotschaftendienst Twitter bereits am Dienstagabend deutsche Unternehmen auf, ihre Geschäfte im Iran "sofort" herunterzufahren. Grenell hatte seinen Posten als US-Botschafter in Berlin am Dienstag gerade erst angetreten.

Der nationale Sicherheitsberater von Trump, John Bolton, gab in Washington bekannt, dass die wieder in Kraft gesetzten Sanktionen der USA "ab sofort" für alle Neuverträge gelten würden. Ausländische Firmen, die bereits im Iran seien, hätten einige Monate Zeit, um das Land zu verlassen. Nach Angaben des US-Finanzministeriums sollen die Sanktionen bei Altverträgen nach einem Übergangszeitraum von 90 bis 180 Tagen in Kraft treten. Bolton machte zugleich deutlich, dass die USA bereit seien, sehr viel weiter zu gehen. Es sei auch "möglich", neue Sanktionen zu verhängen.

Ölpreis geht nach oben

Der Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran hat den Ölpreis nach oben getrieben. Ein Barrel der Sorte Brent kostete am Mittwochmorgen 76,80 Dollar (knapp 65 Euro), das war ein Anstieg von 1,95 Dollar im Vergleich zum Vortag. Die Sorte WTI kostete pro Barrel 70,71 Dollar, ein Plus von 1,65 Dollar. Schon in den vergangenen Tagen hatte der erwartete Rückzug der USA aus dem Abkommen den Ölpreis in die Höhe getrieben. Erst am Dienstag erreichte deshalb in Deutschland auch der Heizölpreis ein Dreijahreshoch. Wie hoch der Ölpreis gehen wird, mag Claudia Kemfert, Energieexpertin am Institut für Wirtschaftsforschung nicht voraussagen. Da sei Spekulation. Aber der Trend des Preisanstiegs werde noch einige Monate anhalten, sagte sie gegenüber der DW.

Der weltgrößte Ölexporteur Saudi-Arabien kündigte am Dienstagabend Maßnahmen an, um etwaigen Versorgungsengpässen entgegen zu wirken. Das Land werde mit wichtigen Ölproduzenten innerhalb und außerhalb der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) sowie mit Ölkonsumenten zusammenarbeiten, um die "Folgen von Engpässen zu begrenzen", teilte das Energieministerium mit.
 

Präsident Hassan Ruhani
Schwere Schlappe für den iranischen Präsidenten Hassan RuhaniBild: picture alliance/AP/dpa/Uncredited/Iranian Presidency Office

Schwerer Rückschlag für Reformer und iranische Wirtschaft

Für den iranischen Präsidenten Hassan Rohani ist der Rückzug der USA aus dem internationalen Atomabkommen ein schwerer Rückschlag. Die Atomvereinbarung von 2015 war der bisher größte Erfolg des moderaten Politikers und seine ganze Politik basierte darauf, dass die Aufhebung der Sanktionen der Wirtschaft neuen Schwung geben würde. Diese Hoffnung hat sich jedoch ebenso wenig erfüllt, wie das Ziel eines Ausgleichs mit dem Westen.

"Rohani hat hoch gepokert mit dem Atomabkommen und all sein politisches Kapital da rein investiert", sagte der Teheraner Politikexperte Modschtaba Musawi der Nachrichtenagentur AFP. "Nun, da das Abkommen in seinen letzten Zügen liegt, verliert Rohani alles - all seine wirtschaftlichen und politischen Pläne, die er auf der Grundlage des Atomabkommens gebaut hat."

Während Rohani durch Trumps Entscheidung geschwächt ist, triumphieren seine konservativen Gegner. Sie haben schon immer gewarnt, dass den USA nicht zu trauen sei. Schon als Trump nach seinem Amtsantritt im Januar 2017 drohte, das von seinem Vorgänger Barack Obama ausgehandelte Abkommen zu zerreißen, fühlten sie sich in ihrem Misstrauen bestätigt.

Trumps ständige Drohungen, den Atom-"Deal" aufzukündigen, schreckten viele westliche Firmen ab, im Iran zu investieren. Zudem blieben auch nach der Aufhebung der im Atomstreit verhängten Finanz- und Handelsbeschränkungen noch zahlreiche US-Sanktionen bestehen, die wegen der Menschenrechtslage im Iran oder seinem Raketenprogramm verhängt worden waren.

tko/zdh/ww  (dpa, rtr, afp)