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Deutsche Hilfe für Mexiko beim Kampf gegen die Drogenmafia

21. Mai 2011

Die deutsche Hilfe gegen Drogenhandel und organisiertes Verbrechen ist willkommen. Doch es gibt auch Gefahren, mahnt ein Experte. Deshalb solle sich Deutschland auf Hilfe zur Selbsthilfe und Prävention konzentrieren.

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Schweigemarsch gegen das organisierte Verbrechen in Mexiko (Foto: AP)
Schweigemarsch gegen das organisierte Verbrechen in MexikoBild: dapd

Bei seinem Mexikobesuch versprach Bundespräsident Christian Wulff den Mexikanern Unterstützung im Kampf gegen den Drogenschmuggel und das organisierte Verbrechen. So sollen unter anderem deutsche Polizisten mexikanische Sicherheitskräfte schulen. Nach einem Treffen mit dem mexikanischen Staatspräsidenten Felipe Calderón deutete er an, dass bald ein bilateraler Vertrag unterschrieben werde, in dem Deutschland auch seine Kompetenz im juristischen Bereich anbietet.

Ein Sprecher des deutschen Innenministeriums bestätigte der Deutschen Welle, dass bereits seit Dezember letzten Jahres an einem bilateralen Sicherheitsabkommen gearbeitet wird, Demzufolge wird sich Deutschland aktiv an der Bekämpfung des Drogenhandels in Mexiko beteiligen. "Deutschland hat den von mexikanischen Experten formulierten Entwurf bereits kommentiert und die Anmerkungen weitergegeben", so der Sprecher. In dem bevölkerungsreichsten spanisch-sprachigen Land kostete der Drogenkrieg allein im letzten Jahr über 15.000 Menschen das Leben.

Die deutsche Lateinamerikastrategie, auf deren Basis Deutschland seine Beziehungen zu dem Kontinent vertiefen will, nennt Brasilien und Mexiko als Schlüsselpartner der Zusammenarbeit. "Die beiden Länder werden als zentrale Akteure angesehen, um globale Probleme anzugehen – sei es der Klimawandel oder die Finanzmarktregulierung", erläutert Günther Maihold, Vizedirektor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

Deutsche Hilfe willkommen

Demonstration in Berlin gegen Gewalt in Mexiko (Foto: DW/Eva Usi)
Demonstration in Berlin gegen Gewalt in MexikoBild: DW

Der deutsche Vorschlag sei durchaus positiv zu bewerten, meint Edgardo Buscaglia, Gastprofessor am Autonomen Technologischen Institut Mexikos. "Aus politischer Sicht wäre das sehr wichtig", erklärt er. Bisher würden nur die USA in Mexiko eingreifen. Die Zusammenarbeit mit Deutschland könnte dieses "Monopol" brechen.

Buscaglia ist ein international anerkannter Experte, wenn es um Drogenhandel in Lateinamerika geht. Er erzählt, dass sich die innere Sicherheit Mexikos seit Jahrzehnten verschlechtert. Dies sei einerseits dem Scheitern der mexikanischen Politik zuzuschreiben, aber auch dem Versagen der Nachbarschaftshilfe der USA sowie der Politik der Drug Enforcement Administration (DEA), der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde.

"In der technischen Beratung auf Deutschland zählen zu können, ist in jedem Fall gut", so Buscaglia. Bei der Durchführung müsse man jedoch sehr vorsichtig sein, denn die mexikanische Polizei gelte als von kriminellen Banden infiltriert.

Auch die Nichtregierungsorganisation Amnesty International zeigt sich in ihrem aktuellen Bericht besorgt angesichts der Verstrickungen zwischen der mexikanischen Polizei und dem kriminellen Milieu. Buscaglia zufolge ist der Sekretär für öffentliche Sicherheit, Genaro García Luna, aufgrund seiner Verbindungen zu Verbrecherbanden im eigenen Land zurzeit sehr umstritten.

Mahnende Worte des Experten

"Wenn Deutschland Mexiko Hilfe bei der Polizeiausbildung anbietet, besteht die Gefahr, dass diese vor allem dem organisierten Verbrechen zugute kommt", warnt Buscaglia daher. "Im besten Fall sickert nur die Strategie durch; im schlimmsten Fall trainiert Deutschland zukünftige Mitglieder von Verbrecherkartellen." So sei es bei den Zetas der Fall gewesen, einer Gruppe ehemaliger Militärs, die zuvor von den USA ausgebildet wurden.

Günther Maihold zufolge weist das deutsche Polizeimodell klare Stärken im Vergleich zum US-amerikanischen auf: "Deutschland hat weitreichende Erfahrung bei der Ausbildung und Umstrukturierung von Polizeiapparaten in einem föderalen System, in dem die Achtung der Bürgerrechte die Hauptachse der Polizeiarbeit darstellt", so Maihold.

Deutschland hat bei Stabilisierungsmissionen wie im Irak und in Afghanistan Erfahrungen mit einem Modell gesammelt, das auf einer engen Beziehung zum Bürger beruht. Ganz anders als andere europäische Länder, deren Polizeiapparat sehr viel militarisierter ist. "Das deutsche Modell basiert auf der Nähe zum Bürger", erklärt Maihold. Zentralamerikanische Länder wie Nicaragua hätten gezeigt, dass in problematischen Stadtteilen nur eine bürgernahe Polizei das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen könne, das sie braucht, um die unterschiedlichen Arten von Verbrechern unter Kontrolle zu bringen.

Hilfe zur Selbsthilfe und Prävention

Beschlagnahmte Pakete mit Marihuana in Mexiko (Foto: AP)
Beschlagnahmte Marihuana-Pakete in MexikoBild: AP

Dennoch bleibe Deutschland ein externer Akteur, warnt Maihold, und könne nicht die eigene mexikanische Initiative ersetzen: "Das Land muss sein Polizeicorps selber reformieren." Es gebe begründete Vermutungen, dass einige politische Parteien in das Schmuggelnetzwerk verstrickt sind. Doch man müsse mit diesen Gegebenheiten arbeiten, meint der Experte. "Wir können nicht warten, bis die Welt so ist, wie wir sie uns erträumen, bevor wir handeln. Wir müssen stattdessen den Umwandlungsprozess des mexikanischen Sicherheitsapparats unterstützen und dabei alle Kriterien der Transparenz und der Kontrolle anwenden – um so die Macht von Korruption und Infiltration durch das organisierte Verbrechen zu schmälern."

Buscaglia stimmt dem deutschen Fachmann zu, dass Mexikos Polizei mehr denn je in der Prävention tätig werden muss: "Wir brauchen eine Polizei, die der Gesellschaft und dem Staat hilft, das soziale Risiko zu mindern. Mangelnder Schulbesuch oder familiäre und nachbarschaftliche Gewalt sind nur einige der Faktoren, die dazu führen, dass hunderttausende Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren ins kriminelle Milieu abrutschen oder Jugendbanden beitreten."

Er empfiehlt dem Staat Mexiko, seine föderale Struktur beizubehalten und alle Polizeieinheiten auf kommunaler, Länder- und Bundesebene zu reformieren. Doch das organisierte Verbrechen kann man nicht allein mit Polizisten bekämpfen. Man braucht eine weitreichende Zusammenarbeit der Ministerien, Finanzämter und Regierungsbehörden.

"Die illegal erwirtschafteten Vermögenswerte, die in die legale Wirtschaft eingeschleust werden, müssen enttarnt werden", erklärt der Experte. Denn das organisierte Verbrechen bewege nicht nur Geld, sondern auch unzählige Vermögenswerte. Diese könnten über Maßnahmen zur Einkommensermittlung in jeder föderalen Einheit ausfindig gemacht werden. "In Mexiko gibt es kein Netzwerk, das mit der so genannten Egmont Group zusammenarbeitet, einem Zusammenschluss nationaler Financial Intelligence Units zur Bekämpfung von Geldwäsche. Dabei könnten sie Mexiko ermöglichen, die kriminellen Vermögenswerte mexikanischer Banden in 52 Ländern der Welt ausfindig zu machen."

Buscaglia erinnert daran, dass genau wie Kolumbien auch Mexiko zunächst vor der eigenen Haustür kehren müsse: "Deutschland kann zwar politischen Druck ausüben. Aber Mexiko muss selbst ein Bündnis zwischen den Parteien schaffen, das es ermöglicht, Maßnahmen einzuleiten, um die Kloake von der politischen Korruption zu reinigen."

Autorin: Eva Usi/Eva Verfuerth
Redakteurin: Birgit Görtz