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Deutsche Brauer im Ausverkauf

Detlev Karg28. September 2003

Kurz vor dem Münchner Oktoberfest sorgte die belgische Interbrew-Gruppe für einen Paukenschlag: Sie schluckte die Spaten-Brauerei. Eigentlich keine Überraschung. Der deutsche Biermarkt ist wie sein Produkt: Er gärt.

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Hoch die Tassen. Nur die Brauer stehen derzeit auf dem SchlauchBild: AP

Die Deutschen lieben ihr Bier, und jeder liebt es anders. Darum gibt es zwischen Rhein und Oder auch so viele Brauereien. Gut 1200 zählt das Land, davon die Hälfte allein in Bayern. So vielseitig, so schön. Aber schlecht für den Umsatz in Zeiten der Globalisierung. Denn selbst die großen deutschen Biermarken sind gegenüber den Playern der weltweiten Bierszene nur Minis. Und die sind auf großer Einkaufstour im reichen und durstigen Deutschland mit seinen sicheren Absatzmärkten: Anheuser Busch, SAB Miller, Heineken und Interbrew – das sind die Namen, die die mittelständischen deutschen Brauer seit einiger Zeit plagen oder freuen - je nach Sichtweise.

Belgier sind Marktführer in Deutschland

Die belgische Interbrew-Gruppe etwa wurde Mitte September 2003 mit ihrem Einstieg beim Weißbier-Hersteller Spaten-Franziskaner zum größten Brauer in Deutschland. 600 Jahre war das Münchner Unternehmen mit seinen Marken wie Spaten, Franziskaner und Löwenbräu selbständig. In Zeiten leicht sinkender Bierabsätze, sei es wegen Gesundheitsbedenken, mehr Liebe zum Wein oder den modischen Alkoholmixgetränken, geht der einen oder anderen deutschen Brauerei die finanzielle Puste aus. Da ist dann das prall gefüllte Sparschwein der globalen Bierbrauer oft der rettende Anker.

Marken, Marken und nochmals Marken

Interbrew kauft Beck's
Bild: AP

Der belgische Brauer hatte mit der Übernahme des niederrheinischen Altbierproduzenten Diebels vor rund zwei Jahren den deutschen Biermarkt betreten. Danach wurden die Brauereien Beck (Becks) und Gilde (Hasseröder) geschluckt. Interbrew kommt in Deutschland künftig nach eigenen Angaben auf ein Produktionsvolumen von 15,6 Millionen Hektoliter und einen Anteil am deutschen Biermarkt von elfProzent. Allein diese relativ kleine Zahl zeigt, wie zersplittert der deutsche Biermarkt noch ist. Spaten kostete die Belgier 477 Millionen Euro, für Beck legten sie einst 1,8 Milliarden auf den Tisch. Zum Vergleich: Die größte deutsche Brauerei, Holsten, ist derzeit (23.9.2003) an der Börse 650 Millionen Euro wert. En passant wanderte auch gleich die schwäbische Schwabenbräu-Dinkelacker in belgische Hände. An ihr ist Spaten mehrheitlich beteiligt, sie kommt nun in die Obhut der Interbrew-Tochter Beck.

Brau und Brunnen auf Brautschau

Schwarzbier
Bild: dpa

Der Kauf von Spaten weist gleichzeitig in die Zukunft. Denn auch der Dortmunder Konzern Brau und Brunnen steht auf der Liste der Begehrlichkeiten ausländischer Multis. An Brau und Brunnen sei Interbrew nicht interessiert, weil die Marken nicht attraktiv seien. Nur mit starken Marken lasse sich auf dem rückläufigen deutschen Biermarkt Wachstum generieren, sagte Interbrew-Chef John Brock in München. Das Konzept der Belgier: Starke Marken in den jeweiligen Ländern kaufen.

Das Geschäft in der eigenen Region ist in Deutschland zu lange gut gegangen, während sich andernorts recht früh Monopolisten bildeten, wie Heineken in den Niederlanden. Mittlerweile sind die Holländer schon Vierter auf dem deutschen Biermarkt. Das Geld für die Einkaufstour aber verdienen die Brauer woanders.

So erwirtschaftet Interbrew nur ein Drittel in Westeuropa. Der Rest stammt aus dem Osten und den USA. Die Masse macht's: Ein Ausstoß von 50 Millionen Hektolitern macht einen Brauer heute zum Global Player. Holsten als größter deutscher Brauer kommt auf elf Millionen Hektoliter. Über die Hälfte aller deutschen Sudküchen produzieren weniger als 5000 Hektoliter pro Jahr.

Fusion als Vorbild?

Bierabsatz sinkt
Bild: AP

Nur die stärksten Marken haben eine Überlebenschance und die Brauherrn müssen sich nun überlegen, ob sie trotz Überkapazitäten und Absatzschwund weiterhin auf zweifelhafte Eigenständigkeit setzen. Mit Kooperationen ließe sich verhindern, dass alle Traditionsmarken aus dem vielgerühmten Mutterland des Bieres dereinst in ausländischer Hand liegen. Allein die Aktionäre konnten sich freuen: Nachdem etwa der Kurs der Holsten-Aktie über Jahre bei 20 Euro dümpelte, explodierte der Kurs im Jahr 2003 regelrecht und nähert sich der 50-Euro-Marke (23.9.2003).