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Deutsche Außenpolitik: Zwischen Härtetests und neuem Selbstbewusstsein

Nina Werkhäuser3. August 2005

Kosovo, Irak, Afghanistan: Mehrfach musste die rot-grüne Regierung über Krieg und Frieden mitentscheiden. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik musste sich neu orientieren. Nina Werkhäuser blickt zurück.

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Deutsche Soldaten auf dem Weg nach AfghanistanBild: AP

Außenpolitisch begann die Regierungszeit von Rot-Grün mit einem Paukenschlag: Im Kosovo tobte ein Bürgerkrieg, den die Nato mit Luftangriffen stoppen wollte. Zum ersten Mal sollte die Bundeswehr sich an einem Kampfeinsatz beteiligen. Außenminister Joschka Fischer erinnert sich: "Wir wurden ins Kanzleramt gerufen, diese Koalition war noch nicht gewählt, da hatte sie zum ersten Mal seit Bildung der Bundesrepublik Deutschland über Krieg und Frieden zu entscheiden. Das waren Entscheidungen, die sind uns alles andere als einfach gefallen."

Luftangriff auf Belgrad
NATO-Luftangriff auf Belgrad im März 1999Bild: AP

Joschka Fischer, erster grüner Außenminister in der Geschichte der Bundesrepublik, hätte lieber Friedenspolitik gemacht, und seine Partei erst recht. Aber Bundesregierung und Bundestag entschieden sich für die Beteiligung an den Nato-Luftangriffen auf Jugoslawien, die im März 1999 begannen. Deutsche Tornados wurden in den Kampfeinsatz geschickt von einer rot-grünen Bundesregierung - viele Parteifreunde Fischers waren empört. Ein Sonderparteitag wurde einberufen, die Stimmung war gereizt, Fischer blieb hart: Er hielt zum damaligen Zeitpunkt eine "unbefristete Einstellung der Bombenangriffe für das grundfalsche Signal". "Milosevic würde dadurch gestärkt und nicht geschwächt. Ich werde das nicht umsetzen, wenn Ihr das beschließt, damit das klar ist!", sagte er.

Gewalt als Mittel der Politik

Bildergalerie Joschka Fischer Bild 5: Farbbeutel trifft Fischer
Joschka Fischer (Grüne), kurz nachdem er auf dem Sondersparteitag der Grünen zum Kosovo-Krieg im Mai 1999 in Bielefeld von einem Farbbeutel getroffen wurde.Bild: dpa

Außenminister Joschka Fischer bekam einen Farbbeutel ins Gesicht und war nun seinerseits sauer. Er blieb aber dabei, dass Gewaltanwendung als letztes Mittel der Politik erlaubt sei. Die Bundesregierung hatte damit eine Grundsatzentscheidung gefällt, auf die sie immer wieder zurückkam. Die Worte von Bundeskanzler Gerhard Schröder nach den Terrorangriffen auf New York und Washington im September 2001 sind historisch und viel zitiert: "Dies ist eine Kriegserklärung gegen die gesamte zivilisierte Welt. Wer diesen Terroristen hilft oder sie schützt, verstößt gegen alle fundamentalen Werte, die das Zusammenleben der Völker untereinander begründen. Das deutsche Volk steht in dieser Stunde, die so schwer ist für die Menschen in den Vereinigten Staaten, fest an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika."

Bundeswehr auf Suche nach abgestürztem Flugzeug
Bundeswehr auf der Suche nach abgestürztem Flugzeug in AfghanistanBild: AP

Das bedeutete einen weiteren Kampfeinsatz für die Bundeswehr, diesmal gegen die Taliban und das Terrornetzwerk El-Kaida in Afghanistan. Wie bei allen Bundeswehreinsätzen musste der Bundestag zustimmen, aber etliche Abgeordnete von SPD und Grünen wankten. Der Bundeskanzler griff zum letzten Mittel: Er verknüpfte die Abstimmung mit der Vertrauensfrage und bekam die erforderliche Mehrheit für den Einsatz "Enduring Freedom" an der Seite der USA. Bald darauf brachen deutsche Soldaten nach Afghanistan auf, und die Marine überwachte die Seewege am Horn von Afrika.

Bundeswehr vor Belastungsprobe

JAHRESRÜCKBLICK 2003 JUNI DEUTSCHLAND AFGHANISTAN BUNDESWEHR
Trauer um vier in Afghanistan gefallene Soldaten. Die deutschen ISAF-Soldaten waren am 7. Juni 2003 in Kabul bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen. Bei dem Anschlag auf die Friedenstruppe wurden zudem 25 Bundeswehrsoldaten zum Teil schwer verletzt.Bild: AP

Die Bundeswehr war zum unverzichtbaren Instrument der rot-grünen Außenpolitik geworden. Die Öffentlichkeit hat sich daran gewöhnt, dass mehrere tausend deutsche Soldaten in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan stationiert sind - und dass einige von ihnen im Sarg zurückkehren. Für Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) gilt trotzdem: Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt - Struck wehrt sich gegen Kritik: "Ich habe eine Menge Briefe bekommen, nach dem Motto: Du bist ein Kriegstreiber, jetzt willst du uns wieder in den Krieg hetzen, auch gerade im Hinblick auf 60 Jahre Frieden in Deutschland. Das ist Unsinn! Jeder Soldat weiß, dass, wenn er einen Auftrag von uns bekommt, zum Beispiel in einen Auslandseinsatz zu gehen, dass er dabei auch sein Leben aufs Spiel setzt."

Die Bundesregierung leitet aus ihrem Engagement das Recht ab, auf internationaler Bühne mit zu entscheiden, zum Beispiel durch einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Aber Bundeskanzler Gerhard Schröder war nicht zu jedem Militäreinsatz bereit. Den Irak-Krieg lehnte er konsequent ab. "Liebe Freunde in der Welt, das muss genauso klar sein: Es gibt eine Grenze, die diese Regierung einhalten wird: Es wird keine deutschen Soldaten im Irak geben."

Zwist mit den USA

Das brachte Schröder zwar bei der Bundestagswahl 2002 viele Stimmen ein, verärgerte aber die amerikanische Regierung. Monatelang herrschte eisiges Schweigen zwischen Gerhard Schröder und US-Präsident George Bush. Die Opposition warf dem Bundeskanzler vor, den wichtigsten Verbündeten verprellt zu haben. Der nahm es äußerlich gelassen hin. "Wir verbinden Bündnisfähigkeit mit dem Selbstbewusstsein, in wichtigen Fragen eine eigene Meinung zu vertreten und sie im internationalen Konzert auch wirksam werden zu lassen. An diesem Kurs werde ich unbeirrt festhalten", sagte er einmal.

Irakische Soldaten bei der Ausbildung
Irakische Soldaten bei der AusbildungBild: dpa

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen haben sich inzwischen wieder etwas erwärmt, und der Streit über den Irak-Krieg ist kein Thema mehr. Die Kompromissformel lautet: Deutschland bildet außerhalb des Iraks irakische Soldaten und Polizisten aus und leistet so einen Beitrag zum Wiederaufbau - und die USA fragen nicht nach mehr.