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Deutsch und Russisch von Kindesbeinen an

16. September 2010

In Deutschland gibt es schon jetzt sieben deutsch-russische Kindergärten. Das noch junge Konzept ist erfolgreich - wie sich auch in Köln zeigt. Zweisprachigkeit kommt an.

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Erzieherinnen in russischer Tracht (Foto: DW)
Erzieherinnen in russischer TrachtBild: MITRA e.V.

Im Kindergarten "Goldfisch" ist die Zeit für das nachmittägliche Spiel gekommen. Die Kleinen strömen fröhlich kreischend nach draußen: Dort spielt eine Gruppe mit Luftballons, eine zweite schaukelt, andere Kinder kurven mit dem Fahrrad über den Hof. Die kleine Michellè nutzt die Zeit zum Plaudern. Zuerst erzählt sie ihrer deutschsprachigen Erzieherin von ihrem neuen Tretroller und dann spricht sie mit der russischsprachigen Kindergärtnerin über einen neuen Zeichentrickfilm.

Michellè kann mühelos vom Deutschen ins Russische wechseln und umgekehrt. Das lernt sie im Kindergarten "Goldfisch", auf Russisch "Zolotaja rybka", den sie seit einigen Monaten besucht. Zweisprachigkeit ist das oberste Ziel der bilingualen Einrichtung im Kölner Stadtteil Porz.

Konsequenz ist wichtig

Jede Kindergruppe wird von einer deutschsprachigen und einer russischsprachigen Erzieherin betreut. Sowohl die eine als auch die andere ist Muttersprachlerin und unterhält sich mit den Kindern nur in ihrer Muttersprache. Man müsse dabei konsequent bleiben, betont die russischsprachige Erzieherin Alina Treiger. "Ich kann zum Beispiel auch Deutsch, aber ich spreche mit den Kindern nur Russisch. Denn unsere Aufgabe ist es, den Kleinen gutes, fehlerfreies Russisch und Deutsch beizubringen."

Der deutsch-russische Kindergarten "Goldfisch" wurde im September 2009 eröffnet. In der Krabbelgruppe werden zehn Kinder bis zu drei Jahren betreut. In der anderen Gruppe tummeln sich 24 Sprösslinge bis zum Alter von sechs Jahren. Ein Großteil stammt aus Aussiedlerfamilien, weitere aus jüdischen Exilantenfamilien und deutsch-russischen Elternhäusern.

Brücke zwischen Deutsch und Russisch

Das deutsch-russische Team aus sieben Frauen (Foto: DW)
Das deutsch-russische Team - die Balance ist wichtigBild: MITRA e.V.

Das Konzept für die zweisprachigen russisch-deutschen Kita hat die interkulturelle pädagogische Gesellschaft "Mitra" entwickelt. Sie wurde 1993 in Berlin von russischen Eltern und Pädagogen als Selbsthilfeverein ins Leben gerufen. Später haben die Mitglieder dann bilinguale Kindergärten gegründet. Mittlerweile gibt es sieben Kindergärten. "Davon sind fünf in Berlin, einer in Leipzig und wir jetzt in Köln", sagt die Erzieherin Anika Schröder stolz. Außerdem betreibt "Mitra" zwei deutsch-russische Grundschulen.

Der Verein verfolgt das Ziel, Kindern aus Migrantenfamilien eine Brücke zum Erlernen sowohl ihrer russischen Muttersprache als auch der deutschen Sprache zu bauen. In den normalen deutschen Kindergärten und später in der Schule fällt den russischsprachigen Kindern das Lernen oft schwer, weil sie von Hause aus keine der beiden Sprachen richtig beherrschen. Genau an diesem Punkt will "Mitra" ansetzen.

Während des gesamten Tagesprogramms werden die Kids parallel von zwei Erziehrinnen begleitet. Auf dem Stundenplan stehen neben Russisch und Deutsch auch Musik und Sport. Außerdem bringen die Pädagoginnen den Kindern die elementaren Regeln des guten Benehmens bei. "Für uns ist es ganz wichtig, die Balance zwischen zwei Sprachen aufrechtzuerhalten", erklärt die Erzieherin Alina Treiger. Die Kleinen singen Lieder auf Russisch und auf Deutsch. Und wenn im Sport die deutschsprachige Erzieherin sagt: "Jetzt laufen wir!", dann wiederholt die russischsprachige Kollegin dasselbe auf Russisch.

Schnelle Erfolge bei den Kindern

Dass die Methoden der bilingualen Erziehung greifen, konnten die Eltern schnell feststellen, so die Russlanddeutsche Tamara Seibert. Ihre vierjährige Tochter kam vor zehn Monaten in den Kindergarten "Goldfisch". Am Anfang sprach die kleine Alina nur Russisch. Doch jetzt kann sie sich mit ihrem älteren Bruder auch auf Deutsch unterhalten.

Auch der dreijährige Nikita habe bereits nach ein paar Wochen erstaunliche Fortschritte gemacht, sagt seine Mutter Tatjana Buchholz. Sie meldete das Kind in dem Kindergarten auf Anraten des Logopäden an, da der Junge nicht anfangen wollte zu sprechen. "Wir hofften, dass er mit Russisch sprechenden Kindern in Kontakt kommt und zu sprechen anfängt. Und das hat geklappt", freut sich die Spätaussiedlerin.

Vermittlung deutscher und russischer Traditionen

Neben der Sprachförderung arbeitet das sechsköpfige Team des Kindergartens "Goldfisch" daran, den Sprösslingen sowohl deutsche als auch russische Traditionen zu vermitteln. Neben typisch deutschen Festen wie Ostern oder Nikolaus werden auch russische Feste wie das Jolka-Fest, das russische Weihnachtsfest für Kinder, gefeiert. "Doch auch wenn wir russisch feiern, machen wir das mit deutschem Ansatz und singen zum Beispiel deutsche Lieder dazu", betont die deutschsprachige Erzieherin Anika Schröder.

Der Wunsch, ihre Kinder zweisprachig erziehen zu lassen, ist bei vielen russischsprachigen Eltern in Köln so groß, dass die Kita "Goldfisch" sich vor Anfragen kaum retten kann. Die Warteliste wird immer länger. Doch auch für diese Interessenten gibt es jetzt Hoffnung: Für Mitte 2011 ist die Eröffnung eines zweiten deutsch-russischen Kindergartens in der Stadt geplant.

Autor: Nadja Baeva
Redaktion: Matthias von Hein / Kay-Alexander Scholz