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Design mit Raumfahrttechnik

Nick Amies11. Juni 2004

Ein Trikot ist ein Trikot? Weit gefehlt. Fußballtrikots sind Hightech, Designobjekte - und ein Mode-Statement.

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Kratzt nicht dank Hightech: David Beckham mit ArbeitskleidungBild: AP

Fußballfans jenseits der 30 können sich vielleicht noch an die Trikots erinnern, bevor die Kommerzialisierung Einzug in den Fußball hielt. Als die Trikots allein dafür da waren, ein Team vom anderen zu unterscheiden. Sie waren nicht bequem und auch kein Modestatement. Das Material war so grob, dass es die Haut wund scheuerte. Die Krägen waren weit und spitz und die Hosen so eng, dass es fraglich war, ob die Männer, die sie trugen, den Sport jemals zusammen mit ihrem Nachwuchs würden genießen können.

Zartes Gleiten

Heute, in den Zeiten von atmungsaktiven, leichtgewichtigen Fabrikaten beschränkt sich die Erfahrung der Kicker mit Fußballtrikots einzig auf das zarte Gleiten von seidigem, Temperatur kontrollierendem Polyester. So, wie der moderne Fußball mehr von seinen Spielern fordert, fordert er auch mehr von der Ausstattung. Es ist ein weltweiter Sport und von den Mannschaften an der Spitze wird verlangt, dass sie an so unterschiedlichen Orten wie den eisigen Weiten der Ukraine oder schweißtreibenden Stadionbacköfen spielen.

Die Spieler verlangen heute eine Ausrüstung, die es ihnen ermöglicht, sich auf eine einzige Sache zu konzentrieren - nämlich das Spiel selbst. Alle Teams der EM 2004 werden Trikots tragen, die meilenweit entfernt sind von den kratzigen Uniformen von damals - egal ob sie in Nike, Adidas, Umbro, Puma oder Kappa auflaufen. Mit Erfindungen wie den Feuchtigkeits-Regulierungs-Systemen, der Play Dry-Technik, die die Spieler kühl und trocken halten sollen, wird heute verhältnismäßig luxuriös gekickt - die EM 2004 wird vermutlich als die modischste, trockenste und best-belüftetste in die Annalen eingehen. Fast schade, dass die Spieler die guten Hemdchen schmutzig machen.

Bleibt die Frage, warum frühere Hersteller Bequemlichkeit anscheinend nie bedacht haben - es ist eigentlich keine Wissenschaft krartzfreie Kleidung herzustellen. Heutzutage wird aber mit Wissenschaft gearbeitet. Die englische Mannschaft hat beispielsweise NASA-Experten angeworben, um mit der Hitze in Portugal während der EM fertig zu werden. Das neue Trikot besteht zu 99,9 Prozent aus der silbernen Textilbindung "X-Static", die verspricht Spieler bei niedrigen Temperaturen zu wärmen und bei Hitze zu kühlen. Der Hersteller behauptet, dass der Hitzetransfer- und das Feuchtigkeits-Regulierungs-Systeme Markt-Neuheiten sind.

Faktor Mode

Ob die spieler damit besser spielen bleibt abzuwarten. Doch natürlich sollen die Trikots nicht nur an den Spielern zu sehen sein. Die Stadien von Portugal werden mit Fans in Trikots überfüllt sein. Fußballtrikots sind zu einem riesigen Geschäft geworden - und zu Mode.

Costa Rica Fans bei der Fußball WM 2002
Da freut sich der Hersteller: Fans aus Costa Rica bei der WM 2002 in SüdkoreaBild: AP

Der Aufstieg des Fußballtrikots zum Modeaccessoire wurde spätestens 1994 augenfällig, als Giorgio Armani die Shirts der italienischen Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft entwarf. Der Stil war typisch italienisch, und das Trikot wurde jenseits des Fußballfelds genauso populär wie auf dem Feld. Das Image des Fußballfans bewegte sich zu dieser Zeit langsam weg von den Hooligans - Fußballer wurden in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Proleten zu Promis, aus Fußball wurde Fashion. Mitte der 1990er explodierte der Trend regelrecht. Die Farben der Teams werden von den Fans längst nicht mehr nur an Spieltagen getragen. Mannschaftstrikots sind für Fans inzwischen obligatorisch: Um Loyalität zu zeigen, zur individuellen Heldenverehrung - oder weil einfach der Look gefällt.

Frauentrikots im speziellen Schnitt

Und Fußball ist dabei längst kein Männersport mehr: Frauen begeistern sich für den Sport und seine Mode fast ebenso wie der klassische männliche Fan - und kaufen ähnlich viele Devotionalien. Sportartikelhersteller verzeichnen stetig steigenden Anteil weiblicher Käufer und so gibt es heute auch selbstverständlich speziell zugeschnittene Trikot-Nachbildungen für Frauen.

Die Vereine, Verbände und Hersteller haben die Macht des Fußballtrikots als ein Marketing-Instrument längst zunutze gemacht. Der Trikotverkauf ist eine selbstverständliche Größe im Etat jedes Clubs - so refinanziert Real Madrid seine Stareinkäufe zu einem beachtenswerten Prozentsatz mit dem Verkauf der Leibchen mit dem Namen des Helden.

Die EM ist natürlich eine besonders lukrative Zeit für Sportartikelhersteller. Beim deutschen Sportgiganten Adidas, der die deutschen, französischen, lettischen, griechischen und spanischen Teams ausrüstet, macht der Verkauf von Trikots satte fünfzehn Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen, sagt Anne Putz von Adidas-Salomon zu DW-WORLD. Und man schaut bei Adidas der EM zuversichtlich entgegen: Was die Verkäufe angeht - und die "eigenen" Teams: Schließlich wurden alle Europameisterschaften bis auf eine von Mannschaften gewonnen, die Adidas trugen.