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Des Kaisers neues Stadion

31. Oktober 2001

Nach langem Hick-Hack gibt es jetzt eine eindeutige Entscheidung. In einem Bürgerentscheid haben sich die Münchner für den Bau eines neuen Fussballstadions ausgesprochen.

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Olympiastadion: bald Bauruine?Bild: LBS Südbayern

Die beiden Fussballvereine TSV 1860 München und Bayern München gelten normalerweise als Erzrivalen. Doch nach dem Bürgerentscheid boten Bayer-Fans und "Löwen"-Anhänger ein Bild mit hohem Seltenheitswert. Sie lagen sich in den Armen, ließen Sektkorken knallen. Die Freude kannte keine Grenzen. 65,8 Prozent der Teilnehmer am Bürgerentscheid sprachen sich für den Bau eines neuen Fussballstadions in Fröttmaning im Norden Münchens aus, nur 34,2 Prozent waren dagegen. Die Wahlbeteiligung lag bei 37,5 Prozent - ein Rekordergebnis für einen Bürgerentscheid.

Allen voran stand der Fussball-Kaiser Franz Beckenbauer als strahlender Sieger da. Er gilt als Wortführer der Stadion-Befürworter, das geplante Stadion wurde von manchem Müncher bereits als "Kaiser-Palast" getauft. Als Belohnung für die breite Zustimmung stellte Beckenbauer, der gleichzeitig Präsident des FC Bayern und des Organisationskomitees für die Weltmeisterschaft 2006 ist, den Münchnern das Eröffnungsspiel in Aussicht. München habe jetzt sehr gute Karten, so Beckenbauer.

Erleichterung herrschte auch bei Bürgermeister Christian Ude und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. Beide hatten sich seit 1995 für die Verwirklichung des Großprojektes eingesetzt. "Das ist der Durchbruch für München als Fußball-Hochburg, als Fremdenverkehrsziel und auch als Wirtschaftsstandort", jubelte Ude. Die Stadt hofft auf 8000 neue Arbeitsplätze während der Bau-Phase.

VIP-tauglicher Fussball-Tempel

Der Fussballtempel wird voraussichtlich über 400 Millionen Mark kosten und soll von den Vereinen 1860 und Bayern finanziert werden. Wie die beiden Vereine das Geld aufbringen wollen, ist unklar. Noch haben sie ihre Finanzierungskonzepte nicht vorgelegt. In der komplett überdachten Arena sollen 66.000 Fans Platz finden. Außerdem soll es eine rein Fussball-Arena ohne Laufbahn sein, dafür mit VIP-Logen und höchstem Komfort.

Weitere 360 Millionen Mark muss die Öffentliche Hand für Infrastrukturmaßnahmen wie U-Bahn und Straßenanbindung aufbringen. Der Löwenanteil von rund 200 Millionen Mark entfällt dabei auf die Stadt. Oberbürgermeister Christian Ude nimmt diese Kosten, trotz leerer Kassen, gerne in Kauf. Schließlich wird nun wohl auch noch das internationale Medienzentrum für die WM 2006 in München errichtet. Dort sollen während der Titelkämpfe über 20.000 Journalisten arbeiten können.

Mit dem Bürgerentscheid endet ein jahrelanger Streit um den Bau eines neuen Fussballstadions. So war eine Bürgerinitiative gegründet worden, die sich gegen den Bau formierte. Ein neues Stadions sei nicht notwendig, schließlich gebe es bereits das Olympiastadion, so die Gegner. Sie warfen der verschuldeten Stadt München Steuerverschwendung und die Zerstörung von Grünflächen vor.

Altes Olympiastadion untauglich

Die Stadion-Befürworter, vor allem der FC Bayern mit seinem Präsidenten Franz Beckenbauer, hielten dagegen, das Olympiastadion mit seinem weltberühmten Zeltdach sei 1972 vor allem für Leichtathletik-Wettbewerbe gebaut worden. Es sei zu alt, anonym und ohne großen VIP-Bereich. Die Fans säßen weit entfernt vom Spielfeld und könnten die Akteure am Ball häufig nur als Striche erkennen.

Vorschläge für ein neues Stadion gab es viele. Mal wollte der FC Bayern München vor den Toren der Stadt im Alleingang ein Stadion errichten, dann sollte das Olympiastadion umgebaut oder eine Arena im Stadtgebiet errichtet werden. Mehr als zehn Standorte für ein neues Stadion wurden diskutiert und wieder verworfen, weil die Finanzierung unklar war oder Klagen von Anwohnern drohten. Ende 2000 scheiterte ein mühsam beschlossener Umbau des Olympiastadions am Veto des Architekten Günther Behnisch, der die Urheberrechte am Bau besitzt und keine Veränderung erlaubt.

Mit dem Bau soll bereits im Sommer begonnen werden. Am 12. November müssen die acht Architektur-Büros, die sich für die Fußball-Arena beworben haben, ihre Vorschläge abliefern. Ende November wird dann entschieden, wer den Zuschlag erhält, schließlich will der Weltverband Fifa bis zum 15. Dezember von allen 16 deutschen Bewerberstädten für die WM 2006 durchkalkulierte Pläne sehen.

2005 soll der Fussball-Tempel eröffnet werden. Das alte Olympiastadion könnte dann zur Bau-Ruine verkommen.