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Des Kaisers neue Kleider

Daniel Scheschkewitz24. Februar 2005

Der Bush- Besuch in Deutschland ist vorüber. Der US-Präsident hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Doch hinter der charmanten Fassade versteckt sich immer noch der alte Bush.

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Zuhause in Amerika erhält Präsident Bush die allerbesten Noten für seine Charme-Offensive gegenüber dem alten Europa. Bush zeigte sich von seiner liebenswertesten Seite und sprühte vor Humor. Das hatte der Präsident schon vor seiner Abreise eifrig trainiert.

In einer Reihe von Interviews mit Fernsehkorrespondenten seiner europäischen Gastgeberländer gab Bush abwechselnd den netten Kumpel und den galanten Charmeur. Den ARD-Korrespondenten Tom Buhrow traf die abschließende Bemerkung "I like you" zum Abschluss des Interviews einigermaßen unvorbereitet und trieb dem Kollegen die Schamesröte ins Gesicht.

Die Washington-Korrespondentin des belgischen Fernsehens VRT dagegen nahm das Kompliment Bushs , sie habe tolle Augen mit geradezu verblüffender Selbstverständlichkeit entgegen. Schließlich, so sagte sie später im amerikanischen Fernsehen, habe das Kompliment ja nicht nur ihr gegolten, sondern der Europäern ganz allgemein.

Amouröse Tonlage

Die Interviews waren ein Vorgeschmack auf das, was folgen sollte. Bush hat auf der Klaviatur der europäischen Gefühlswelten gespielt wie nie zuvor. Nahm sogar das verpönte Wort Umweltschutz in den Mund und sprach von dem vorrangigen Ziel eines Nahostfriedens, einem lange gehegten Wunschtraum aller politisch denkenden Europäer.

Auch in Brüssel fand Bush wieder die amouröse Tonlage. Vom Kriegsgott Mars, der die zärtliche Venus an den Rand drückt war plötzlich nichts mehr zu sehen, stattdessen bezirzte er die Europäer mit der Äußerung, dass keine Macht der Welt die beiden Kontinente auseinander bringen könne.

Und selbst im französisch-amerikanischen Charmewettbewerb konnte Bush die Konkurrenz dieses mal zumindest ausgeglichen gestalten. Hatte Präsident Chirac auf dem Höhepunkt der Irakkrise noch die gallische Unverfrorenheit besessen, First Lady Laura Bush vor den Augen der Kameras einen Handkuss zu geben, so war es dieses Mal Bush, der die Franzosen konsternierte, indem er die belgischen Fritten vor Chiracs Augen und Ohren einer kulinarischen Metamorphose unterzog. Aus "Freedom Fries“ wurden plötzlich wieder "French Fries“ und beide speisten in nie da gewesener Eintracht, als ob der Irakkrieg überhaupt nicht stattgefunden hätte.

Bush blieb der Alte

Hat er aber und inzwischen hat das irakische Volk auch gewählt. Für Amerika hat damit nach Afghanistan zum zweiten mal ein Militäreinsatz eine demokratische Dividende abgeworfen. Die ganze Region, so die amerikanische Lesart, ist von der Trendwende zur Demokratie erfasst. Man mag das bezweifeln. Aber dies ist die eigentliche Agenda auf Bushs Europareise.

Hinter der Charme-Kulisse ist Bush allerdings nach wie vor der Alte geblieben. Er setzt die Themen und nicht die Europäer: Syrien, Iran, den Aufbau eines demokratischen Iraks. Seine Botschaft an die Europäer lautet: Die Welt ist im Wandel begriffen, weil wir die Konsequenzen aus den Anschlägen des 11. Septembers gezogen haben. Für Amerika gibt es langfristig nur Sicherheit mit einem demokratisierten Nahen und mittleren Osten. Entweder Europa unterstützt diesen von Amerika entfachten historischen Wandlungsprozess oder man wird zunehmend ins Abseits geraten.

Das betrifft übrigens auch die NATO, die Washington als militärisches Bündnis zur Absicherung dieses Wandlungsprozesses braucht und nicht als politischen Debattierclub. Wenn Europa nicht geblendet ist von der Charme-Offensive dieses Präsidenten, dann wird man seine Reise in diesem Licht bewerten müssen. Europe hat keinen neuen Bush gesehen - der Kaiser kam lediglich in neuen Kleidern.