Der Zauber der virtuellen Grafik
5. Juli 2009Mittlerweile ist der Sport in der TV-Berichterstattung weit mehr als ein 2:1 oder eine Gänsehaut – er ist längst zu einer Art Konsumgegenstand geworden. Um den damit steigenden Ansprüchen gerecht zu werden, steigt der mediale Aufwand seit Jahrzehnten stetig an. Die Farbe der Anfänge war grau, der technische Anspruch bescheiden.
Die ersten Medien, die Sportereignisse als Thema erkannten, waren die Printmedien. 1923 stieg der Hörfunk in die Sportberichterstattung ein. Seither vermitteln Live-Übertragungen von Sportereignissen - erst im Radio, seit den 1950er Jahren vor allem im Fernsehen - weltweit das Gefühl, hautnah dabei zu sein.
Der beste Sitzplatz ist vorm Fernseher
Für die TV-Live-Übertragung eines Fußballspiels im 21. Jahrhundert gibt es nicht eine Kameraperspektive, sondern etliche. Das Geschehen wird teilweise von über 20 Kameras gefilmt. Die Vogelperspektive, die Hintertorperspektive und natürlich nicht zu vergessen, die Kamera, die nur auf den Trainer oder den Spieler X gerichtet ist. Den künstlichen Augen entgeht nichts. Die technische Krönung ist die so genannte "Spider-Cam". Sie hängt an einem "Spinnennetz" aus Stahlseilen über dem Stadion und kann über jeden Punkt des Spielfelds gefahren werden.
Eigentlich sieht man vom Fußballspiel längst mehr am Fernseher, als im Stadion selbst. Es gibt Wiederholungen, Zeitlupen, Vergrößerungen – so lange bis die Situation eindeutig geklärt ist. Es war eben doch abseits. Mit bloßem Auge ist dies oft nicht zu erkennen. Das Zauberwort heißt virtuelle Grafik.
Der Fernsehzuschauer hat sich längst an den Luxus gewöhnt. Der Schiedsrichter hat gepfiffen. Es gibt Freistoß. Und schon folgt die Einblendung: Ein farbig markierter Strich vom Freistoßpunkt bis zur Torlinie zeigt den direkten Weg an, die Zahl 22 Meter verrät die Distanz. Selbst ob die Mauer wirklich 9,15 Meter entfernt ist, wird per Kreis angezeigt. "Das passiert nicht ungefähr, sondern wird genau berechnet. Es gibt verschiedene Fixpunkte auf dem Feld anhand deren die Software Abstände zentimetergenau berechnen kann", erklärt Holger Rahlfs, Vertriebsleiter der Firma Impire. Impire vertreibt eine Software für virtuelle Grafik. Prominentester Kunde ist die ARD, die die Technik für die Sportschau nutzt.
Der doppelte Skispringer
"Bestenfalls sehen unsere Elemente aus, als seien sie wirklich auf den Rasen gezeichnet", sagt Rahlfs. Es muss aber nicht zwingend der Rasen sein. Auch bei anderen Sportarten wird mit den Möglichkeiten der virtuellen Grafik gespielt. Die Silhouetten von Sprintern, Ski- oder Weitspringern werden grafisch übereinander geblendet, um die Sportler im Wettkampf zu vergleichen. So kann der Zuschauer der Analyse des Fachmanns lauschen, der anhand der Grafik erklärt, wo der Sprinter, aus welchem Grund, wichtige Zehntelsekunden oder der Skispringer wichtige Weitenmeter verloren hat. "Da wird sich sicher in Zukunft auch noch einiges tun. Es wird immer wieder neue Elemente geben", verrät Rahlfs. Details gibt er nicht preis – Betriebsgeheimnis.
Ein weiterer Gewinn für die TV-Berichterstattung ist die Möglichkeit der visuellen Spielanalyse. Experten oder Moderatoren können auf einem Bildschirm im Studio mit dem Finger oder einem Stift Zeichen malen, um ihre Erklärungen zu verdeutlichen. Da wurde eine Lücke frei, weil dieser Spieler nicht mitgelaufen ist und so weiter. Das ganze funktioniert über Infrarottechnologie oder berührungsempfindliche Bildschirme. Neben diesen visuell ansprechenden Elementen sind es vor allem Daten, die der Zuschauer dank ausgereifter Computertechnik erhält. Mittlerweile gibt es Software, die beispielsweise nach einem Fußballspiel genau berechnen kann, wie viel ein Spieler gelaufen ist oder wie oft er aufs Tor geschossen hat. Für manch einen Spieler ein echter Fluch.
Autor: Benjamin Wüst
Redaktion: Wolfgang van Kann