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Zankapfel EU-Asylpolitik

Christoph Hasselbach13. Januar 2013

Seit Jahren wollen die Staaten der Europäischen Union ein einheitliches System für den Umgang mit Asylbewerbern schaffen. Bisher sind alle Versuche an nationalen Egoismen gescheitert.

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Ein voll besetztes Flüchtlingsboot aus Nordafrika vor der italienischen Küste (Foto: picture-alliance / Milestone Media)
Bild: picture-alliance/Milestone Media

Das Ziel einer einheitlichen europäischen Asylpolitik gibt es offiziell schon seit mehr als 13 Jahren. Im Herbst 1999 standen die Staats- und Regierungschefs von damals nur 15 Mitgliedsländern unter dem Eindruck der Fluchtbewegungen durch den Jugoslawien-Krieg. Manche EU-Länder waren besonders davon betroffen, zum Beispiel Deutschland und Österreich, andere kaum. Heute kommen besonders viele Flüchtlinge über Griechenland in die EU, aber auch Malta und Zypern klagen, sie würden zu stark belastet. Die Verteilung war und ist jedenfalls sehr ungleich. Damals, 1999, hatten die Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass alle Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Verantwortung für die Flüchtlinge haben sollten. Doch das Ziel eines einheitlichen europäischen Asylsystems lässt weiter auf sich warten. Die jüngste Frist für einen Kompromiss, Ende 2012, ist verstrichen. 

Sehr ungleiche Verteilung

Beim jüngsten Anlauf im Oktober 2012 hatte Schwedens Innenminister Tobias Billström noch einmal betont, das Thema sei wegen der vielen Asylbewerber in seinem Land sehr wichtig für Schweden: "Heute nehmen neun von 27 Mitgliedsstaaten 90 Prozent der Asylsuchenden auf, die in Europa eintreffen. Und ich glaube, das erfordert mehr gemeinsames Vorgehen." Bisher gilt die sogenannte Dublin-II-Verordnung. Danach ist der Staat für ein Asylverfahren zuständig, den der Flüchtling als erstes betritt. Geht er von dort aus in ein anderes Land, kann ihn dieses in das erste Land zurückschicken. Deshalb wollen Erstanlaufländer wie Griechenland das Dublin-System ändern. Deutschlands Innenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU dagegen will daran festhalten, weil er sonst eine Sogwirkung für sein Land befürchtet.

Flüchtlinge in einer zerstörten Stadt (Foto: picture alliance/dpa)
Flüchtlinge im Jugoslawien-Krieg 1991Bild: picture alliance/dpa

Die Quote als Lösung?

Doch Nadja Hirsch, liberale Europaabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und Soziales, hält das Dublin-System für sinnlos, weil "Familien auseinandergerissen werden und einzelne Länder deutlich mehr Menschen aufnehmen müssen einfach aufgrund der geographischen Lage". Sie fordert in einem Deutsche-Welle-Interview, dass "die Flüchtlinge nach einer Quote über die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden". Hirsch glaubt, bei einer Quote, die sich nach Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft richten müsste, würde sich für Deutschland "fast nichts ändern", weil Deutschland bereits heute viele Menschen aufnehme. Schweden leiste einen besonders großen Beitrag. Deutlich unter ihren Möglichkeiten blieben aber zum Beispiel Ungarn, Tschechien und Spanien.

Wer arbeitet, ist keine Belastung

Flüchtlings- und Asylpolitik ist schon seit Jahren ein besonders heißes Eisen in den meisten EU-Staaten. Asylsuchende, die politische Verfolgung in ihrer Heimat nachweisen können, werden bestenfalls geduldet, aber normalerweise nicht willkommengeheißen. Und wer aus einem Land ohne nachweisbare Verfolgung kommt, und dazu gehören nach den Worten des deutschen Innenstaatssekretär Ole Schröder Serbien und Mazedonien, der "hat kein Recht auf Asyl und muss schnellstmöglich in sein Heimatland zurückgebracht werden". Die liberale Europaabgeordnete Nadja Hirsch sieht ein Problem in Deutschland darin, dass Asylbewerber, die oft hochqualifiziert seien, nicht arbeiten dürfen und deshalb als Belastung gesehen würden. Schweden sieht sie als positives Gegenbeispiel: "Sie haben eine sehr viel liberalere Arbeitsmarktpolitik. Die Leute dürfen möglichst schnell arbeiten. Das heißt, es kostet den Sozialstaat nichts, die Leute sind integriert und bringen sogar noch Wirtschaftswachstum mit durch ihre Arbeit."

Porträt Nadja Hirsch (Foto: picture-alliance/dpa)
Die Europaabgeordnete Hirsch wünscht sich mehr OffenheitBild: picture-alliance/dpa

Malmström kämpft für mehr Offenheit

Hirsch erhofft sich generell mehr Offenheit in Europa für Flüchtlinge, und das sieht auch Innenkommissarin Cecilia Malmström so. Gegenüber Schutzbedürftigen stehe die EU ohnehin in der Pflicht, und die alternden europäischen Gesellschaften brauchten auch aus Eigeninteresse Migranten, auch solche ohne Asylanspruch, findet die Kommissarin. Das sehen die meisten Politiker anders. Was ist nun Europa, eine Festung, die sich möglichst gegen alle Fremden verschließt, oder ein offener Kontinent? Die Frage wurde gerade im Zusammenhang mit dem Friedensnobelpreis an die EU heftig diskutiert. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte gesagt, die EU sei wegen ihrer Flüchtlingspolitik des Preises "nicht würdig".

USA nehmen prozentual mehr Menschen auf

Doch selbst zwischen Malmström und ihrem Sprecher Michele Cercone schien es unterschiedliche Einschätzungen zu geben. Während Cercone kurz vor der Preisverleihung sagte, Europa könne "stolz darauf sein", so vielen Menschen "Zuflucht und ein neues Leben" gegeben zu haben, sah Malmström den europäischen Beitrag weniger rosig: 2011 habe die EU knapp zehn Prozent der weltweiten Flüchtlinge aufgenommen. Das entspreche 20 Millionen Menschen oder vier Prozent der EU-Bevölkerung. "Aber das muss man in die richtige Perspektive rücken: Die USA zum Beispiel nehmen 20 Prozent der weltweiten Flüchtlinge auf. Das sind 13 Prozent ihrer Bevölkerung." Es scheint, die unterschiedliche Selbsteinschätzung geht mitten durch die Kommission. Was nun das Ziel eines einheitlichen Asylsystems betrifft, so ist im Moment ein Ende des Streits nicht absehbar, mehr als dreizehn Jahre, nachdem die Idee formuliert wurde.

Schröder im Gespräch mit Amtskollegin (Foto: picture-alliance/dpa)
Innenstaatssekretär Schröder: Wer keinen Asylanspruch hat, muss gehenBild: picture-alliance/dpa