Der Weg nach Venedig
Venedig, Ende Mai 2005. Auf dem Canale Grande fährt Thomas Scheibitz zur Biennale. Er ist einer der beiden Künstler, die den Deutschen Pavillon gestalten. Um die Bilder und Skulpturen des 36jährigen reißen sich Museen und Galerien weltweit.
"Es ist schon eine Auszeichnung", gibt der aus Sachsen stammende Wahlberliner zu, dessen Blick auf die Gegenwart oft als "cool" beschrieben wird. Letztendlich sei er an den anspruchsvollen Auftrag herangegangen wie an jede andere Arbeit auch.
In den "Giardini" inspiziert Tino Sehgal den Ausstellungsort. Er war bisher nur Insidern ein Begriff. Mit 29 ist er der jüngste Künstler, der jemals im Deutschen Pavillon ausstellen durfte. Sehgal macht immaterielle Kunst, choreographierte "Situationen" aus Bewegung, Sprache und Gesang. Niemand darf sie offiziell filmen oder fotografieren. "Der Hauptteil der Arbeit würde verloren gehen", erklärt der Sohn eines Inders und einer Deutschen. Wichtig sei es, sie persönlich zu erfahren. Dann verschwindet er mit zwei Akteuren im Pavillon - geprobt wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Verantwortlich für die Auswahl der beiden Künstler ist Julian Heynen, Leiter der Kunstsammlung K21 in Düsseldorf. Die Konsequenz, mit der Sehgal und Scheibitz ihr jeweiliges Medium erforschen, überzeugte den Kurator des Deutschen Pavillons. Die letzten zwei Jahrzehnte in der bildenden Kunst seien stark vom Cross-Over bestimmt gewesen. Ihn interessiere es nun, "zu fragen, was macht ein Werk bildender Kunst spezifisch, was ist nur dort und in anderen Medien nicht möglich?"
Der Weg nach Venedig begann mit monatelangen Vorbereitungen in Berlin. Nun ist es so weit. Im Deutschen Pavillon baut Thomas Scheibitz seine Skulpturengruppe auf. Die großformatigen Tafelbilder für den Seitenflügel sind noch in Kisten verpackt. Im Hauptraum wird Tino Sehgal die Biennale-Besucher mit zwei "Situationen" überraschen. Und Julian Heynen hofft, dass das ungleiche Paar und sein distanzierter Umgang mit der Kunstszene beim Publikum ankommt.