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Der unpolierte Glanz von Moskau

Markus Reher 1. August 2006

Moskaus Ruf in der Welt ist nicht der beste. Ein reines Imageproblem, glaubt Oberbürgermeister Juri Luschkow und schrieb kurzerhand eine millionenschwere PR-Kampagne aus.

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Aufgeschreckt hatten die Moskauer Stadtväter jüngste Weltranglisten, auf denen die 10-Millionen-Metropole nur in der Kategorie "teuerste Stadt der Welt" ganz vorne landete. Aufgelistet nach Lebensqualität schaffte Moskau es gerade mal auf Platz 173 von 215 beurteilten Städten, nur knapp vor Bagdad. In die Top 30 der für Unternehmer wenig attraktiven Weltstädte fand Moskau dagegen ohne Mühe. Und der Reader´s Digest zählte sie gar zu den unfreundlichsten Städten der Welt, vergleichbar mit Bukarest oder Kuala Lumpur.

Moskau, das war lange der Kinderschreck der Kalten Krieger: Alle Wege des Kommunismus führten angeblich dorthin, und noch heute gilt die Metropole an der Moskwa nicht als touristische Top-Destination. Die Propaganda aus mehr als 40 Jahren Blockkonfrontation wirkt fort: Moskau, das ist Eiseskälte plus Mafia plus Korruption plus Superreiche neben armen Babuschkas, so lautet die neue Faustformel für die alte Hauptstadt des Bösen.

Umgerechnet 20 Millionen Dollar will die Stadtregierung nun in einen Imagewandel investieren: Moskau das glanzvolle Zentrum russischer Kunst, Kultur und Lebensart - auf Augenhöhe mit anderen Metropolen. Botschafter der Hauptstadt sollen im Ausland das Hohelied der weltoffenen, boomenden Drehscheibe zwischen Europa und Asien singen. Und ausländische Journalisten erhalten Einladungen zu Flusskreuzfahrten und anderen Glanzlichtern hauptstädtischen Kulturlebens.

Auch bei den Rating-Firmen soll der Rubel rollen. Denn geht es nach Juri Luschkow, Moskaus alt gedientem, umtriebigen Bürgermeister, dann kommt es einzig darauf an, die Welt anders zu interpretieren. In Luschkows Welt gibt es keine rüpelhaften Autofahrer, für die Fußgänger nur lästiges Freiwild sind, keine herablassenden Staats- und Stadtbeamten, die die eigenen Bürger mit willkürlichen "Ordnungsgeldern" gängeln, keine übellaunigen Verkäufer, die losblaffen, nur weil man nach der Lebensmittelabteilung fragt, und auch keine murrenden Kellner, die Stunden brauchen, einen Espresso zu servieren.

Einheimische, die zum Theaterbesuch immer ein Paar glänzend polierte Schuhe dabei haben, um sie in der Garderobe gegen die unansehnlichen schmutzigen Straßenschuhe auszutauschen? Ausgedacht! Morsche, vor Frost berstende Heizungsrohre in ganz kalten Wintern? Haben Sie das mit eigenen Augen gesehen? Wochenlange Rennerei für ein Einreisevisum und eine ordentliche polizeiliche Registrierung, nur weil man ein paar Tage zu Gast ist in der Stadt? Ach, hören Sie doch auf!

Das Bewusstsein bestimmt das Sein. - Was wäre Russland ohne seine potemkinschen Dörfer.