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Der Teufel fährt auf der Streif mit

Stefan Nestler24. Januar 2009

An diesem Samstag (24.01.2009) stand in Kitzbühel das berüchtigte Hahnenkammrennen auf dem Programm. Der schwere Sturz des Schweizer Skifahrers Daniel Albrecht beim Trainingslauf sorgte für neue Diskussionen.

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Skirennfahrer auf der Abfahrtsstrecke in Kitzbühel. Quelle: DPPI
Spektakulär und gefährlichBild: picture-alliance / DPPI
Schwerer Sturz des Schweizer Skirennfahrers Daniel Albrecht beim Training auf der Streif. Quelle: dpa
Daniel Albrecht 2009: Von der Piste ins Krankenhaus.Bild: picture-alliance/ dpa

Mausefalle, Steilhang, Kompression, Lärchenschuss, Traverse, Zielschuss - sogar die einzelnen Passagen der "Streif", der berühmtesten Skiabfahrtsstrecke der Welt, sind legendär. Nicht zuletzt weil sich dort in der inzwischen 78 Jahre währenden Geschichte des Hahnenkammrennens von Kitzbühel immer wieder spektakuläre Stürze ereigneten. Selbst abgebrühte Fahrer verstummen vor dem Start in 1665 Metern Höhe. Im Ziel auf 805 Metern reden sie dafür umso mehr und benutzen Wörter wie "brutal" oder "mörderisch", Aus jeder Silbe spricht der Respekt vor der Strecke und die Erleichterung darüber, die gut drei Kilometer lange Strecke, die an der steilsten Stelle ein Gefälle von 85 Prozent hat, sturz- und verletzungsfrei hinuntergekommen zu sein.

Spektakuläre und folgenreiche Stürze

Schwerer Sturz des US-Skirennfahrers Scott Maccartney 2008. Quelle: dpa
Scott Macartney 2008: Sturz beim ZielsprungBild: picture-alliance/ dpa

Die Liste der Sturzopfer ist lang. Hier nur eine kleine Auswahl: 1985 stürzt der Deutsche Klaus Gattermann bei Tempo 130 schwer. Die Folge: Wirbelverletzungen, Gehirnerschütterung, Nasenbeinbruch. 1989 wird der Kanadier Brian Stemmle nach der Ausfahrt aus dem Steilhang in ein Fangnetz katapultiert. Sein Becken wird zertrümmert. Mit weiteren inneren Verletzungen schwebt er vorübergehend in Lebensgefahr. Wie durch ein Wunder kommt 1995 der Italiener Pietro Vitalini mit dem Schrecken davon. Er wird in der Traverse ausgehoben, fliegt über den Sicherheitszaun, überschlägt sich mehrfach und rutscht mehrere hundert Meter den Hang hinunter. Tiefer Neuschnee neben der Strecke rettet Vitalini das Leben. 1999 hebt Ex-Olympiasieger Patrick Ortlieb aus Österreich von der Hausbergkante ab: Trümmerbruch im rechten Oberschenkel, Knochenabsplitterung an der Hüfte, Seitenbandriss im Knie, Lungenquetschung. 2008 erwischt es den US-Amerikaner Scott Macartney beim Zielsprung. Die Ärzte im Krankenhaus diagnostizieren ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und versetzen ihn vorsichtshalber ins künstliche Koma. Der Sturz des Schweizers Daniel Albrecht in diesem Jahr wirkt fast wie eine Kopie dieses Unfalls. Der Zustand Albrechts, der in einem Innsbrucker Krankenhaus liegt, ist stabil. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, heißt es aus der Schweizer Mannschaft.

Genug Sicherheitsvorkehrungen?

Der Schweizer Ambrosi Hoffmann startet zum Abfahrtsrennen auf die Streif. Quelle: dpa
Von null auf 100 km/h in sechs SekundenBild: picture-alliance/ dpa

Fast reflexartig hebt nach jedem spektakulären Zwischenfall auf der "Streif" die Diskussion an, ob das Rennen überhaupt zu verantworten ist. "Wenn wir so etwas verhindern wollen, dann darf es keine Abfahrten mehr geben", antwortet Günter Hujara, Renndirektor des Internationalen Skiverbands FIS. "Es ist halt ein risikofreudiger Sport, ganz klar", meint auch der frühere Slalom-Weltmeister Frank Wörndl. Die Sicherheitsvorkehrungen, wie Fangzäune an den kritischen Stellen, seien in den vergangenen Jahren deutlich verbessert worden. Einige der Aktiven sehen das kritischer. Bode Miller etwa, Gesamtweltcupsieger 2008, warf noch zum Saisonauftakt den Verantwortlichen vor, bei den Weltcuprennen nicht genug für die Sicherheit der Rennläufer zu tun. "Man kann reden so viel man will, es ändert sich nichts", sagte der US-Amerikaner. "Es würde sich nicht einmal etwas ändern, wenn einer von uns sterben würde".

Nervenkitzel und klingelnde Kassen

Der Österreicher Klaus Kröll bejubelt seinen Sieg beim Super G in Kitzbühel. Quelle: ap
Erster Sieger 2009: Klaus Kröll gewinnt den Super GBild: AP

Tote wollen die vielen Zuschauer in Kitzbühel natürlich nicht sehen. Dennoch liegt der Reiz des Spektakels, ähnlich einem Formel 1-Rennen, sicher auch im Nervenkitzel, der aus der besonderen Mischung aus Geschwindigkeit und Risiko entsteht. Für die Stadt in Tirol ist das Rennen auf der "Streif" vor allem ein Wirtschaftsfaktor. Die zahlungskräftige Schickeria trifft sich in "Kitz". 80.000 Besucher lassen die Kassen der Hoteliers und Gastwirte klingeln. Und auch für die erfolgreichen Skirennfahrer, wie den Österreicher Klaus Kröll, der am Freitag (23.1.) den Super G gewann, rechnet sich das Wochenende in Kitzbühel: Insgesamt 550.000 Euro an Prämien werden ausgeschüttet, so viel wie an keinem anderen Weltcup-Ort. Bleibt nur das Problem, heile anzukommen. "Du musst alle Gefahren kennen", rät Frank Wörndl, denn: "Der Teufel schläft nicht, der ist immer dabei."