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Der späte Triumph Lateinamerikas

Astrid Prange9. April 2015

Ein Gefühl der Genugtuung macht sich breit in Lateinamerika. Das Treffen von Raúl Castro und Barack Obama beim Amerika-Gipfel in Panama läutet eine neue Ära der Beziehungen zwischen "Gringos" und "Latinos" ein.

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Symbolbild Annäherung USA Kuba
Bild: picture-alliance/AP Photo/Espinosa

Die Ansage war klar und deutlich: "Der nächste Gipfel findet nicht ohne die Insel statt", erklärten die 35 Mitglieder der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) auf ihrem letzten Gipfeltreffen 2012 im kolumbianischen Cartagena. Sie sollten Recht behalten. Diesmal setzte sich Lateinamerika durch, und nicht die USA.

Der Amerika-Gipfel am 10. und 11. April in Panama wird nun in die Geschichtsbücher eingehen. Nach fast 60 Jahren werden sich dort erstmals ein amerikanischer und ein kubanischer Präsident wieder die Hände schütteln. Nach mehr als 50 Jahren wollen die beiden politischen Erzfeinde ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen

"Der Kalte Krieg in der Karibik geht zu Ende. Für Kuba war es ein politischer Triumph, als Obama die US-Kuba-Politik der vergangenen 55 Jahre für gescheitert erklärte", meint Bert Hoffmann vom GIGA Institut für Lateinamerika-Studien. Der Kuba-Experte, der die politische und wirtschaftliche Entwicklung auf der Insel seit den 1990er Jahren verfolgt, ist davon überzeugt, dass es beide Seiten "ernst meinen".

Der Klügere gibt nach

Doch hinter dem scheinbaren Triumph Kubas verbirgt sich nach Ansicht Hoffmanns keine Schwäche Washingtons, sondern eher eine politische Herausforderung für Havanna. "Bislang war die Frontstellung zu den USA zentral für die Legitimation des kubanischen Ein-Parteien-Systems", erklärt er.

Nach Ansicht Hoffmanns erlaubte der äußere Konflikt mit den USA bisher keinen Pluralismus im Inneren des Landes. Durch die Entspannung im Verhältnis zu den USA würden sich nun die Erwartungen nach politischer Mitsprache und Transparenz auf der Insel erhöhen, prognostiziert er.

Protest gegen die USA in Mexiko nach erzwungener Zwischenlandung von Boliviens Präsident Morales in Wien (Foto: Ronaldo Schemidt/ AFP/Getty Images)
Demonstranten verbrennen die US-Flagge nach der erzwungenen Landung von Boliviens Präsident Evo Morales am 4. Juli 2013 in WienBild: Ronaldo Schemidt/AFP/Getty Images

Doch auf dem Gipfel geht es nicht nur um die historische Wiederannäherung der ideologischen Erzfeinde. Es geht um die Neuausrichtung der interamerikanischen Beziehungen insgesamt. Denn das Feindbild der USA verblasst. Die Unterstützung lateinamerikanischer Militärdiktaturen durch Washington gehört der Vergangenheit an.

"Durch die Wiederannäherung fällt eines der großen Themen der lateinamerikanischen Linken weg", erklärt Lateinamerikaexperte Oliver Stuenkel, Professor für internationale Beziehungen an der Universität "Fundação Getulio Vargas" in São Paulo. "Dies wird die Rolle der USA in Lateinamerika stärken und die regionale Dynamik verbessern".

Washington umgarnt Brasilia

Kern dieser Verbesserung ist auch eine Wiederannäherung zwischen den USA und Brasilien. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern hatten sich dramatisch verschlechtert, als im Oktober 2013 bekannt worden war, dass die NSA die Telefongespräche von Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff abhören ließen. Nun vereinbarten Rousseff und Obama während des Gipfels eine vertrauliche Unterredung.

G20-Gipfel in Brisbane 15.11.2014 Dilma Rousseff und Obama (Foto: REUTERS/Pablo Martinez)
Seit der NSA-Affäre 2013 befinden sich die Beziehungen zwischen Brasilien und den USA im KellerBild: Reuters/Pablo Martinez Monsivais

Das angespannte Verhältnis zwischen Brasilien und den USA symbolisiert zugleich die politische Zerrissenheit der Region. Denn wie Brasilien befürwortet auch die Mehrheit der Regierungen in der Region das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten ihrer Nachbarländer.

Die von den USA verhängten Sanktionen gegen sieben hochrangige Politiker Venezuelas werden deshalb nicht nur von Brasiliens Staatschefin Rousseff kritisiert. Die Botschaft ist klar: Wer mit wem Geschäfte macht oder diplomatische Beziehungen pflegt, egal ob Demokrat oder Diktator, das wollen sich die Regierungen Lateinamerikas nicht von Washington vorschreiben lassen.

Nicht nur Kubas Maximo Líder Raúl Castro profitiert von dieser Maxime, auch sein Verbündeter Nicolás Maduro. Der Präsident Venezuelas wird den Gipfel nutzen, um die alte Feindschaft zu den USA zu beschwören. Gegen die Sanktionen hat er bereits im Vorfeld große Protestaktionen geplant.

Dollar statt Dienstleistungen

Doch die politische und wirtschaftliche Realität des Kontinents hat sich längst von alten Feindbildern emanzipiert. So hat Venezuela seine Öllieferungen an Kuba extrem gedrosselt, weil es nicht mehr mit Dienstleistungen, sondern mit Dollars bezahlt werden will. Brasilien ist hingegen nach China zum zweitgrößten Warenlieferant für Kuba aufgestiegen. Und China wiederum hat die USA als wichtigsten Handelspartner Brasiliens verdrängt.

Zum Tod von Hugo Chavez Venezuela
Rivalen: Venezuelas Ex-Präsident Hugo Chavez und Obama verband eine gepflegte FeindschaftBild: Reuters

Kuba-Experte Bert Hoffmann hat keinen Zweifel daran, dass eine neue Ära angebrochen ist, auch wenn Havanna immer wieder auf die Bremse tritt. "Castro ist bemüht, die Erwartungen auf einen Wandel des politischen Systems zu dämpfen", meint Hoffman. "Doch was wird aus der Logik der belagerten Festung, wenn der Feind nicht mehr belagert, sondern zum Nachbarn, Handelspartner und Investor wird? Was wird aus David, wenn der Goliath nicht mehr mit der Keule droht, sondern mit Dollars lockt?".