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Gesellschaft

Slow Food in Tirana

Pandeli Pani
30. August 2017

Neben Restaurants in Berlin, Paris, London oder Prag gehört das "Mullixhiu" in Albanines Hauptstadt Tirana zu den besten Restaurants Europas. Sein Chef Bledar Kola fing als Tellerwäscher in London an.

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Albanien, Mullixhiu Restaurant in Tirana
Bild: Ilir Rizaj

Wie jeden Morgen prüft Bledar Kola die Qualität des frisch gemahlenen Mehls in seinem Restaurant. Heute strahlt er ganz besonders. "Als ich auf dem Weg ins Restaurant den Artikel las, konnte ich meinen Augen nicht glauben. Die Nachricht kam wirklich sehr überraschend für mich, und dementsprechend ist auch die Freude sehr groß", sagt Bledar.

Sein Restaurant "Mullixhiu" ("Der Müller") in der albanischen Hauptstadt Tirana wurde vom "Hollywood World Magazine" zu einem der zehn besten Restaurants Europas gewählt. Auf den ersten Blick erinnert das Restaurant eher an eine rustikale Bauernstube, wie man sie aus traditionellen Häusern in Nordalbanien kennt. Die Wände sind mit Holz verkleidet, die Tische aus grobem Brettern, die Teller aus grobem Steingut, die Servietten aus grobem Leinen. Nach Kristallgläsern sucht man vergebens. Hinter einer Glaswand: eine Dekoration aus Maiskolben verschiedener Farben und Sorten.

Kochen wie bei Muttern (und Großmuttern)

Albanien, Bledar Kola, Chef des Mullixhiu Restaurants in Tirana
Bledar Kola vor seiner MühleBild: Ilir Rizaj

Das Ambiente des Restaurants passt genau zur Philosophie des jungen Chefs. Seine Gäste sollen sich in die Vergangenheit versetzt fühlen, als die Menschen das Getreide selbst gemahlen, das Brot selbst gebacken und sich saisonal ernährt haben. Im Winter gibt es hier deftige Gerichte mit Kohl, Bohnen oder Rosenkohl, im Sommer leichte Kost mit Paprika, Tomaten, Auberginen, Gurken oder Zucchini. "Ich möchte, dass unsere Gäste wissen, welche Jahreszeit gerade ist und in welchem Land sie sich befinden", sagt Kola. Es ist eine Anspielung auf die globalisierte Welt, die nach Jahren der Isolation inzwischen auch Albanien erreicht hat. 

Auch der Name des Restaurant "Mullixhiu" ist Programm: Drei Steinmühlen mahlen täglich frisch Weizen und Mais, aber auch Roggen, Gerste und Hafer. Bledar Kola versucht insbesondere die letzten drei Getreidesorten seinen Kunden wieder schmackhaft zu machen. Er kocht nach traditionellen Rezepten seiner Mutter und Großmutter, und die Wunderküche des "Mullixhiu" verwendet ausschließlich regionale Zutaten.

Traditionen zu neuem Leben zu erwecken

Von seiner Mutter hat er auch die Liebe zum Kochen geerbt. Als er klein war, half er ihr bei der Vorbereitung traditioneller Bandnudeln. Anfang der 90er Jahre, als er 16 Jahre alt war, hat er wie viele andere Jugendliche Albanien verlassen. Bledar ging nach London, wo er als Tellerwäscher im Restaurant eines Golfclubs anfing. Es war eine schwierige Zeit, erinnert er sich heute; ohne die Hilfe und Unterstützung eines österreichischen Freundes seines Vaters wäre er vielleicht auf die schiefe Bahn geraten. "Ich war da ohne meine Eltern, und Roland Gossler hat sich um mich gekümmert. Damals habe ich ihn gehasst, weil er mir ständig Ratschläge gab und mich von meinen Vorhaben abgehalten hat; heute bin ich ihm sehr dankbar dafür."

Albanien, Mullixhiu Restaurant in Tirana
Im Restaurant wird jeden Tag frisches Mehl gemalenBild: Ilir Rizaj

Bledar studierte "Culinary arts" an der Thames Valley University westlich von London. Er arbeitete in Spitzenrestaurants wie "Le Gavroche" und "Pied à Terre" in London, "Fäviken" in Schweden und "Norma" in Kopenhagen. "Es war eine sehr interessante Zeit, und ich habe viel gelernt", sagt Bledar. "Nach all dieser Erfahrung fühlte ich mich sicher genug, nach Albanien zurückzukehren und hier ein Restaurant zu eröffnen, in dem ich versuche alte traditionelle Rezepte zum neuen Leben zu verhelfen."

Handgemacht, regional, saisonal

Albanien, Mullixhiu Restaurant in Tirana
Gekocht wird nach traditionellen RezeptenBild: Ilir Rizaj

Nun hat er sein Ziel erreicht. Sein Restaurant ist in der albanischen Hauptstadt sehr beliebt, Besucher sind sowohl in Tirana arbeitende Ausländer und Einheimische aus der oberen Mittelschicht wie etwa Lehrer, Ärzte und Juristen. Seine Preise sind im Vergleich zu den anderen Restaurants etwas höher, für die Ausländer aber immer noch preiswert.

Der Koch hat noch ein ehrgeiziges Ziel. Als Anhänger der slow-food-Bewegung will er zusammen mit einigen anderen Köchen in Albanien mit lokalen Produkten und nach alten Rezepten Gerichte kreieren, Sehnsüchte stillen und eine Verbindung zu dem Ort schaffen, an dem die Leute leben. Bledar und seine Freunde ermuntern die Bauern der Region, wieder alte Gemüse- und Getreidesorten anzubauen. Und sie freuen sich, dass die Bauern ihre Produkte nicht nur an ihre Restaurants verkaufen, sondern immer mehr auch auf lokalen Märkten.