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Der Schweinebandwurm: vernachlässigt und lebensgefährlich

18. April 2017

Der Schweinebandwurm ist eine "vernachlässigte Tropenkrankheit". Solche Infektionskrankheiten befallen vor allem die Ärmsten der Armen. Nur Medizin reicht nicht, um sie zu besiegen. Eine umfassende Strategie ist nötig.

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Schweine schauen durch einen Zaun (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture alliance/McPHOTO

Fast ein Drittel der epileptischen Anfälle in Afrika gehen auf einen einzigen Parasiten zurück: Den Schweinebandwurm. Die Infektion kann unter bestimmten Umständen auch tödlich enden.

Eigentlich müsste es den Schweinebandwurm selbst in Entwicklungsländern gar nicht mehr geben. Denn durch systematische Hygienemaßnahmen lässt er sich ausrotten.

Daher steht der Schweinebandwurm stellvertretend für viele "vernachlässigte Tropenkrankheiten", die vor allem die Ärmsten der Armen betreffen. Diesen möchte die Weltgesundheitsorganisation jetzt systematisch zu Leibe rücken. Darum geht es auf einer Konferenz, die am 19. April in Genf beginnt. 

In den vom Schweinebandwurm betroffenen Ländern, gibt es meist einen Teufelskreis: Es herrscht Armut, das Trinkwasser ist unsauber, Hygiene - insbesondere die Nutzung von Latrinen - und Gesundheitsversorgung sind mangelhaft und Schweine laufen frei herum. All das geht einher mit mangelhafter Gesundheitsaufklärung.

Und die steht an oberster Stelle, wenn man den Parasiten besiegen will. Alle müssen dabei mitmachen: Landwirte, Behörden, Ärzte und viele mehr.

Frau kocht Essen. Daneben steht ein Schwein und verschiedene Nutztiere (Foto: Veronika Schmidt)
Wenn Mensch und Tier so nahe beieinander leben kann der Bandwurm seinen Lebenszyklus durchlaufen Bild: Veronika Schmidt

Ein Beitrag aus Deutschland

Dafür macht sich Andrea Winkler stark. Sie ist Neurologin an der Technischen Universität München und koordiniert den deutschen Beitrag für das fachübergreifende ProjektCYSTINET-Afrika. Es umfasst Universitäten, Forscher und Krankenhäuser aus Deutschland und drei afrikanischen Ländern: Mozambik, Tansania und Sambia.

Gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) verknüpft das Projekt den Kampf gegen den Bandwurm in ganz unterschiedlichen Bereichen: So forscht etwa die Immunologin Clarissa Prazeres da Costa an der Frage, warum es dem Wurm gelingt, das menschliche Abwehrsystem auszutricksen. Er kann sich nämlich sehr lange im Körper einnisten ohne dass eine Immunantwort erfolgt. Dazu sammelt sie Zellproben von Erkrankten und analysiert diese an der TU München. Das Rätsel zu lösen ist ein wichtiger Beitrag der Grundlagenforschung. Vielleicht entspringt dem einmal ein Medikament oder eine Impfung.

In den betroffenen Ländern steht es auch um die sichere Verarbeitung der Patientendaten nicht sehr gut: Örtliche Krankenstationen sind in der Regel nicht ans Internet angebunden. Also entwickelt der Informatik-Professor Bernd Brügge Methoden zur sicheren Übertragung von Patientendaten durch das Mobilfunknetz.

Kampf an vielen Fronten

So soll die Arbeit vieler am Netzwerk Beteiligter vor Ort in Afrika erleichtert werden. Der Kampf gegen den Schweinebandwurm muss nämlich an vielen Fronten geführt werden: Neben der Medizin für Mensch und Tier gehören dazu Hygiene und Wasserversorgung aber auch grundsätzliches, wie Aufklärung, Bildung und Armutsbekämpfung.

Kinder mit Schweinen auf einer Wiese  (Foto: Veronika Schmidt)
Glückliche Menschen und Schweine: Aber ohne Stallhaltung lässt sich die Seuche nicht besiegenBild: Veronika Schmidt

Oft fangen die Maßnahmen mit dem Bau von Latrinen an. Doch es gibt immer wieder Menschen, die sie trotzdem nicht nutzen. Zum Teil liegt das an tief verwurzelten abergläubischen Vorstellungen.

Auch das ist ein Grund, weshalb auch Anthropologen an CYSTINET-Afrika beteiligt sind. Sie sollen örtliche Bräuche und Gewohnheiten studieren und verstehen. Denn nur dann kann auch Gesundheitsaufklärung wirklich funktionieren. 

Der Schweine- ist eigentlich ein Menschen-Bandwurm

"Schweinebandwurm ist eigentlich nicht ganz richtig, weil der Bandwurm nicht im Schwein ist, sondern im Menschen," erklärt die Neurologin Winkler. "Der Mensch entwickelt einen mehrere Meter langen Bandwurm in seinem Darm. Er scheidet die Eier aus und hier kommt der Aspekt der Armut ins Spiel: Die Eier werden dann aufgenommen von Schweinen, die frei laufen und menschlichen Stuhl vertilgen - denen schmeckt das wohl recht gut."

Fressen die Schweine den menschlichen Kot, nehmen sie damit die Eier des Bandwurms auf und die winzigen Larven schlüpfen im Magen. Sie bohren sich durch die Magenschleimhaut des Schweins, wandern durchs Blut und bilden in Organen, Muskeln und im Gehirn der Schweine Zysten - also verkapselte Larven.

Isst nun der Mensch das - innen noch rohe - Schweinefleisch, geht es wieder von vorne los. "Das Schweinefleisch wird nicht gut genug gebraten, der Mensch nimmt die Zysten auf und es entsteht wieder der erwachsende Bandwurm im Darm des Menschen. Das ist der klassische Zyklus."

Infografik Zyklus des Schweinebandwurms DEU

Der Wurm ist eklig, aber wirklich gefährlich sind seine Zysten

Der Bandwurm kann im Darm des Menschen sieben Meter lang werden. Weil er als Parasit, dem Menschen viel wegfrisst, kann er einen Vitaminmangel hervorrufen. Aber er allein bringt einen ausgewachsenen, gut ernährten Menschen noch nicht um.

Viel gefährlicher sind seine Eier, wenn sie direkt wieder in den Magen des Menschen gelangen. "Der Mensch geht auf die Toilette, wäscht sich die Hände nicht, führt die Hände zum Mund und nimmt die Eier auf", schildert die Ärztin Winkler einen typischen Infektionsverlauf. "Dann schlüpfen die Larven im Menschen und können die Organe des Menschen befallen - vor allem vorzugsweise das Gehirn."

Dort, im menschlichen Gehirn, verkapseln sich die Larven genauso wie im Schwein. Nur stecken die Zysten jetzt gewissermaßen in einer Entwicklungs-Sackgasse fest. "Es ist ein Endstadium, und zwar im falschen Wirt", sagt Winkler. Der Parasit hat sich selbst ins Aus manövriert: "Im Schwein geht es ja weiter, weil der Mensch das Schwein isst und der Parasit sich dann im Menschen zum erwachsenen Wurm entwickeln kann." 

Fleisch mit Zysten des Schweinebandwurms (Foto: Veronika Schmidt)
Zysten des Bandwurms im Schweinefleisch. Wird das Fleisch jetzt nicht gut durchgebraten, bekommt derjenige, der es isst, einen Bandwurm Bild: Veronika Schmidt

Verkapselt können die Zysten jahrelang im menschlichen Gehirn bleiben, ohne dass der Patient davon etwas merkt. Schätzungen gehen davon aus, dass 50 bis 80 Prozent der Betroffenen gar keine Symptome zeigen. Wenn aber Symptome auftreten, kann das lebensgefährlich werden. "Es gibt Menschen, die haben hunderte von Zysten. Da sieht das Gehirn aus, wie ein Schweizer Käse", sagt Winkler. Und plötzlich geschieht etwas, und man weiß gar nicht wirklich warum, und diese Kapsel wird dann doch vom Wirt angedaut. Das gefällt der Larve nicht, und es entsteht eine Entzündung."

Das Immunsystem des Menschen greift also die Reste der einst verkapselten Bandwurmlarve an. Durch die Entzündung entsteht eine Wasseransammlung im Gehirn - ein Ödem. Das kann schon sehr früh passieren, manchmal aber auch erst nach etlichen Jahren.

Entwurmungsmittel sind selbst gefährlich

Besonders hinterhältig: Wenn ein Patient ein Entwurmungsmittel einnimmt, weil er einen Bandwurm in seinem Darm bekämpfen will, kann er dadurch genau diesen folgenschweren Prozess im Gehirn auslösen. "Dann können epileptische Anfälle auftreten. Es können Kopfschmerzen durch den erhöhten Hirndruck auftreten - allerlei andere neurologische Symptome: Schwächen an Armen, Beinen, etc. Je nachdem, wo das ganze sitzt im Gehirn. Aber der Gehirndruck kann so bedrohlich steigen, dass der Mensch stirbt."

Deshalb muss die Gabe von Entwurmungsmitteln bei vermutetem Zystenbefall im Gehirn unbedingt medizinisch überwacht werden. "Den Bandwurm zu behandeln, ist nicht ohne", warnt Winkler. "Eigentlich kann man gar nicht behandeln, wenn man keine Bildgebung hat. Aber die hat man halt nicht immer zur Hand."

Schweinebandwurm: Dr. Winkler untersucht ein Kind (Foto: Andrea Winkler)
Andrea Winkler untersucht ein Kind auf mögliche neurologische Erkrankungen. Bild: Andrea Winkler

In Industrieländern wird das üblicherweise mithilfe einer Magnetresonanztomographie gemacht. Die liefert sehr hoch aufgelöste Bilder des Gehirns. Bei Gefahr können Neurologen dann unmittelbar eingreifen und etwas tun, um den Druck im Gehirn zu reduzieren.

In den am Projekt beteiligten afrikanischen Ländern gibt es nur herkömmliche - oft schlecht gewartete - Computertomographen. Immerhin besser als nichts. Aber auch zu denen müssen die Patienten unter Umständen hunderte Kilometer weit anreisen. Für die Neurologin Winkler ist es aber die Mühe Wert.

Am wichtigsten: Hygiene

Aber die Behandlung der Betroffenen ist nur die halbe Schlacht. Zuerst geht es darum, dass alle einige grundlegende Prinzipien verinnerlichen. Das wichtigste ist dabei die Hygiene: "Man wäscht sich die Hände nach dem Toilettengang, man wäscht sich die Hände bevor man isst. Man wäscht sich die Hände wenn man Nahrung zubereitet," zählt die Ärztin die wichtigsten Verhaltensregeln auf. "Man achtet darauf, dass Schweinefleisch gut durchgebraten ist. Die Schweine müssen in den Stall. Die dürfen nicht frei herumlaufen."

Ganz wichtig ist der Medizinerin, dass Latrinen gebaut werden und dass die Leute sie auch benutzen. "Sie dürfen nicht im Busch ihr Geschäft verrichten". Und grundsätzlich gelten in tropischen Ländern ohnehin einige Regeln, die auch gegen viele andere Infektionskrankheiten helfen: Trinkwasser abkochen, Rohkost meiden und nur gekochte Sachen essen.