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Der Schatz von Halle

23. April 2002

Bildung ist Gold wert, das wussten schon die alten Preußen. Die Franckeschen Stiftungen in Halle gehörten zu den interessantes Bildungseinrichtungen der Neuzeit und erleben jetzt ein Comeback.

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Vorderansicht des historischen Waisenhauses nach der RestaurierungBild: Franckische Stiftungen

Der Aufstieg des Kurfürstentums Preußen im 18. Jahrhundert ist eng mit einer Revolution in der Bildungspolitik verbunden. Der spätere König Friedrich I. von Preußen sah sich einem von Krieg und Armut ausgezehrtem Land gegenüber. An allen Ecken fehlte es an gut ausgebildeten Leuten.

1698 hatte der Pfarrer August Hermann Francke in Halle ein Waisenhaus gegründet. Der Preußenkönig wählte diesen Ort zum Grundstein einer staatlich geförderten Bildungsoffensive.

Die Franckeschen Stiftungen entstanden. Innerhalb von 30 Jahren schuf Francke ein einzigartiges sozialpädagogisches Lebenswerk, das Vorbild für viele protestantische Einrichtungen und Waisenhäuser wurde.

August Hermann Francke
August Hermann Francke (1663 - 1727)Bild: Franckesche Stiftungen

Als der Reformer 1727 starb, wurden hier 2500 junge Leute versorgt und ausgebildet. Um einen langen Innenhof waren rund 50 Gebäude - Schulen, eine Bibliothek, Druckerei, Plantagen u.a.m. - entstanden. Darunter findet sich das heute größte Fachwerk-Wohngebäude Europas.

Eine Schulstadt von europäischem Rang

Bürgerliche und Adlige aus ganz Europa schickten ihre Sprösslinge zum Lernen nach Halle und das Land Preußen bildete hier einen Großteil seines späteren Beamtentums aus. Franckes fortschrittliche Lernmethoden im Sinne des Pietismus und der Aufklärung waren der Grund dafür.

Alter Globus
Bild: Franckesche Stiftungen

Gutbetuchte und Arme lernten unter einem Dach, das sorgte vor 300 Jahren für Aufsehen. Franckes Abgesandte waren als Missionare in aller Welt unterwegs und brachten Schaustücke von ihren Reisen für den Unterricht mit. Auch das war im 18. Jahrhundert eine bahnbrechende Methode.

Verfall

Die Stiftungen retteten sich zunächst über die Zeitenwechsel hinweg. 1946 wurden sie zwangsweise der Universität Halle angegliedert, in den Folgejahren weitgehend dem Verfall überlassen. "Man hat zu DDR-Zeiten eigentlich gar nicht wahrgenommen, welchen Schatz wir hier haben. Diese Häuser waren ja völlig grau, krumm und schief, und es regnete durch. Zum Schutz vor Kälte wurden alte Matratzen vor die Fenster gestellt, der Anblick war einfach grauenhaft", erinnert sich eine alt eingesessene Hallenserin.

Wiederaufbau

Mit dem Fall der Mauer begann der Wiederaufbau. Ein Freundeskreis sorgte für Spenden. Das Land Sachsen-Anhalt stellte die Eigenständigkeit der Stiftung wieder her.

Heute gehören die Stiftungen zum staatlichen Investitionsprogramm "Kulturelle Leuchttürme" für die neuen Bundesländer. Die Sanierung kostet mindestens 100 Millionen Euro.

In dem ehemaligen Chorgebäude wird die neu gegründete Bundeskulturstiftung ihre Arbeit verrichten. Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin begründete seine Ortswahl auch mit der großartigen Tradition in Kultur und Bildung in Halle.

Die Stiftung soll zeitgenössische Künste mit Schwerpunkt auf internationale Kooperationen fördern. Bevorzugte Zielrichtung ist hierbei Ost-Europa und die Aufarbeitung der deutsch-deutschen Einigung. (kas)