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Der Schatz von Eberswalde

Sarah Judith Hofmann21. Juni 2013

Er ist der größte in Deutschland gefundene Goldschatz aus der Bronzezeit - und ein spektakulärer Fall von so genannter Beutekunst. Jetzt führte der "Schatz von Eberswalde" beinahe zum Eklat zwischen Merkel und Putin.

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Bildnummer: 50383901 Datum: 30.01.2004 Copyright: imago/Hohlfeld Exponate aus Gold im Museum in der Adler-Apotheke Eberswalde, Objekte; 2004, Eberswalde, Museum, Museen, Heimatmuseum, Heimatmuseen, Gold, Schätze, Schatz, Eberswalder Goldschatz, Goldschätze, Kopie, Nachbildung, Exponat, Sehenswürdigkeit; , quer, Kbdig, Einzelbild, Deutschland, , Reisen, Brandenburg, Europa
Deutschland Museum Goldschatz von Eberswalde BronzezeitBild: Imago

Er ist ein wahres Schwergewicht. Mehr als zweieinhalb Kilogramm Gold bringt der so genannte "Schatz von Eberswalde" auf die Waage. Er umfasst 81 Einzelstücke, darunter aufwändig verzierte Goldschalen, Schmuck und viele weitere Goldstücke aus dem 9. bis 8. Jahrhundert vor Christus. "Er ist aufgrund seines Inhalts und Umfangs einer der bedeutendsten Goldschätze der Spätbronzezeit in ganz Europa", sagt die Leiterin des Museums Eberswalde Ramona Schönfelder. Als besonders wertvoll gelten die insgesamt acht Schalen aus reinem Gold - jede hat eine andere Größe und Verzierung. Ramona Schönfelder kann die Goldschalen mit verschiedenen Ornamenten beschreiben, doch sie kennt den Anblick nur aus einer Replik.

Den echten Schatz hat sie noch nie gesehen. Denn das kostbare Gold aus Eberswalde lagerte bis vor wenigen Tagen gut bewacht im Depot des Moskauer Puschkin-Museums. Lange Zeit war er als verschollen gemeldet - bis Russland 2004 zugab, den Schatz zu besitzen. Beutekunst also, nach Kriegsende 1945 von sowjetischen Truppen aus Berlin nach Moskau gebracht. Für die langjährige Direktorin des Puschkin-Museums Irina Antonowa war die Sache klar: Die Kunst stehe Russland zu, als "Reparation" für die Verbrechen, die Nationalsozialisten in der Sowjetunion verübt hatten. Das hat Antonowa deutschen Medien gegenüber mehrfach betont. Nach russischem Recht gehört der Schatz Russland: 1997 hat die Duma einen Beschluss gefasst, der Beutekunst aus Deutschland zu russischem Eigentum erklärt.

Exponate aus Gold im Museum in der Adler-Apotheke Eberswalde (Copyright: Museum Eberswalde)
Aufwändige Verzierungen schmücken die Schalen des Schatzes - hier die Nachbildungen im Museum EberswaldeBild: Imago

Kurzzeitig drohte ein Eklat

Jetzt soll der Goldschatz erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg der Öffentlichkeit gezeigt werden: in der Eremitage in St. Petersburg – einem der wohl bekanntesten Museen der Welt. Erstmalig hatten hier deutsche und russische Kunsthistoriker zusammengearbeitet, um Objekte aus der Bronzezeit zu präsentieren. Darunter sind 600 Exponate von Beutekunst aus Deutschland. Auch das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin war beteiligt, das den "Schatz von Eberswalde" bis 1945 in Verwahrung hatte. Die Ausstellung unter dem Titel "Bronzezeit – Europa ohne Grenzen" wurde am Freitagabend von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eröffnet. Dabei hatte es zunächst Streit um die Grußworte gegeben, weil Merkel darin eine Rückgabe von Beutekunst forderte. Für einige Stunden hieß es sogar, die Eröffnung sei abgesagt. Dann aber erklärte Merkel, sie werde stattfinden.

Vor einhundert Jahren: "… ein alter Pott mit Messing"

Genau einhundert Jahre ist es her, dass der Schatz in der Nähe von Eberswalde – rund 50 Kilometer nordöstlich von Berlin – gefunden wurde. Dort sollten Wohnhäuser für die Arbeiter eines Messingwerks gebaut werden. Am 16. Mai 1913 wurde das Fundament ausgeschachtet. Da stieß ein Bauarbeiter mit seinem Spaten auf etwas Hartes. "Da haben se ja eenen alten Pott mit Messing injebuddelt", soll der Bauarbeiter damals gerufen haben. Das erzählt Ramona Schönfelder vom Museum Eberswalde. "Schließlich wurde er ja auf dem Gelände des Messingwerks gefunden", erklärt sie. Erst als der Arbeiter den Topf dem Werksleiter zeigte, stellten sie fest, dass der Tontopf mit viel edlerem Material gefüllt war: Gold!

Eberswalde (Brandenburg): Die Adler Apotheke ist eines der Baudenkmäler von Eberswalde. Das rechwinklige, zweigeschossige Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert beherbergt heute ein Museum, ein Standesamt und die Touristen-Information der Stadt.
Das Museum von Eberswalde beherbergt nur eine Replik des GoldschatzesBild: picture-alliance/dpa

Und davon nicht zu wenig: insgesamt rund 2,6 Kilogramm. Der Seniorchef des Unternehmens Aron Hirsch meldete dies sofort dem Völkerkundemuseum Berlin, zahlte den Arbeitern, die das Gold gefunden hatten mehrere tausend Mark aus – und stellte die 81 Einzelteile, die sich in dem Topf befunden hatten, in seinem Messingwerk aus. Besucher strömten in die Kleinstadt. "Aron Hirsch war es wichtig, dass eine große Öffentlichkeit den Schatz sehen konnte", erzählt Ramona Schönfelder, "also gab er das Gold an den Kaiser, um es in einem Berliner Museum auszustellen." Kaiser Wilhelm II übergab - wie gewünscht - die Kostbarkeiten der prähistorischen Abteilung des Völkerkundemuseums, aus der wenig später das Staatliche Museum für Vor- und Frühgeschichte hervorging.

Trinkgefäß aus dem Goldhort von Eberswalde, 9.–8. Jh. v. Chr.; Puschkin Museum, Aap 264. Kriegsbedingt verlagert. Bis 1945 MVF Berlin, Inv. Nr. If 16935/5. (Copyright: © Staatliches Puschkin Museum der Schönen Künste Moskau / Andrea Kudryavitskiy)
Eines der Origale: Ein Trinkgefäß aus der späten Bronzezeit - im Besitz des Puschkin-Museums Moskau. "Kriegsbedingt verlagert" lautet der Vermerk zu kostbaren Exponaten in den AktenBild: Staatliches Puschkin Museum

"Bloß nicht zurück nach Eberswalde"

Bis 1941 war der "Goldschatz von Eberswalde" im Berliner Völkerkundemuseum zu sehen. Dann verpackten ihn die Nationalsozialisten in Kisten und versteckten diese zusammen mit dem berühmten Schatz von Priamos im Flakbunker am Berliner Zoo. Im Falle einer deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg sollte das Gold keiner anderen Nation in die Hände fallen. Doch genau dies geschah. Seit 1945 galt der Schatz als verschollen. Bis das Moskauer Puschkin-Museum 2004 zugab, ihn zu besitzen - gelagert im Depot. Seither fordert Berlin die Rückgabe der 81 Einzelstücke.

"Es wäre schön, wenn er in Berlin oder Eberswalde gezeigt werden würde und der deutschen Wissenschaft zur Verfügung stünde“, meint Ramona Schönfelder. Denn nur hier könne er in den Kontext weiterer Funde aus der späten Bronzezeit gesetzt werden. Bisher konnten Forscher vom Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin herausfinden, dass es sich nicht wie zunächst angenommen um einen von Händlern vergrabenen Schatz handelt, sondern um Opfergaben. Die Schalen wurden vermutlich bei Zeremonien verwendet. An dem Original könnte man mit heutiger Technik noch viel detailliertere Forschungen durchführen.

Ramona Schönfelder aus Eberswalde ist froh, dass der Schatz endlich aus dem Depot geholt wurde und erstmals gezeigt wird. Zu einer Rückforderung will sie sich nicht äußern. Das sei Sache der Politik. Sie will, dass der Schatz einer breiten Öffentlichkeit und zu Forschungszwecken zugänglich ist, am besten wieder im Berliner Museum. "Das war schließlich auch schon der Wunsch von Aron Hirsch, dem ersten Besitzer, und dieser sollte respektiert werden."