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Der Schattengouverneur von Kundus

Sandra Petersmann23. Oktober 2012

Die Informationen der ISAF Schutztruppe sind sparsam, doch die afghanische Polizei bestätigt die Festnahme von Taliban-Anführer Mullah Abdul Rahman - mit logistischer Unterstützung der Bundeswehr.

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Ein Heckschütze der Bundeswehr sichert am Dienstag (03.07.2012) einen Hubschrauberflug von Kundus nach Masar-i-Scharif. Bundesverteidigungsminister de Maiziere (CDU) besucht für einen Tag Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Foto: Hannibal dpa
Afghanistan Wache SchattenBild: picture-alliance/dpa

Die Pressemitteilung aus dem Hauptquartier der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF in Kabul ist dürftige vier Zeilen lang. Sie bestätigt die Verhaftung eines Taliban-Kämpfers, der namentlich aber nicht genannt wird. Der Verhaftete stehe im Verdacht, berichten die dürftigen Zeilen weiter, Attacken auf afghanische und internationale Soldaten in der nordafghanischen Provinz Kundus organisiert und befehligt zu haben. Mit ihm seien zwei weitere Personen verhaftet worden. Die Festnahme sei eine gemeinsame Operation unter afghanischer Führung gewesen. Kein Hinweis darauf, dass der Zugriff bereits am vergangenen Freitag erfolgte. Kein Wort darüber, dass deutsche Elitesoldaten vom Kommando Spezialkräfte an dem Einsatz beteiligt waren, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam bestätigt.

"Deutsche Helikopter und Luftaufklärung"

Deutlich auskunftsfreudiger als die Internationale Schutztruppe sind die afghanische Polizei und das Büro des Gouverneurs der Provinz Kundus. Der Polizeichef des Unruhedistrikts Char Darah in Kundus, in dem die Festnahme erfolgte, bestätigte gegenüber DW.DE per Telefon, dass Taliban-Führer Mullah Abdul Rahman unter den Verhafteten ist. Der Polizeichef machte Rahman direkt für einen tödlichen Angriff auf die Bundeswehr am Karfreitag 2010 verantwortlich, dem damals drei deutsche Soldaten zum Opfer gefallen waren. Der Sprecher des Gouverneurs von Kundus sagte unterdessen, dass die Bundeswehr die nötige logistische Unterstützung für die Operation einer afghanischen Spezialeinheit geleistet habe. Namentlich erwähnte er deutsche Helikopter und deutsche Luftaufklärung.

Deutsche Soldaten im Feldlager Kundus (Foto:dpa)
Deutsche Soldaten im Feldlager KundusBild: picture-alliance/dpa

"Schattengouverneur" der Taliban

Der jetzt verhaftete Mullah Rahman galt seit dem Frühjahr 2010 als sogenannter Schattengouverneur der Taliban in der nordafghanischen Provinz Kundus – und damit als ranghöchster Vertreter der radikalen Islamisten in dem Gebiet. Er war nach Geheimdienst-Informationen maßgeblich für die Taktik seiner Kämpfer verantwortlich. Er soll das Schmuggeln von Waffen organisiert, den Bau von improvisierten Sprengsätzen befohlen und Selbstmordattentäter in Marsch gesetzt haben. Im September 2009, noch als Feldkommandeur der Taliban, hatte er die Entführung von zwei Tanklastern organisiert, die ein deutscher Oberst dann aus der Luft bombardieren ließ. Dem verhängnisvollen Luftangriff fielen damals vor allem Zivilisten zum Opfer.

Afghanische Polizeibeamte untersuchen im September 2009 einen der beiden verbrannten Tanklaster bei Kundus (Foto:AP)
Mullah Rahman soll auch hinter der Entführung zweier Tanklaster stecken, die die Bundeswehr 2009 bombardieren ließ.Bild: AP

Die Provinz Kundus gehört zum Einsatzgebiet der rund 4500 deutschen Soldaten, die derzeit noch in Afghanistan stationiert sind. Die Taliban dementieren die Festnahme Mullah Rahmans. Ihnen gelingt es immer wieder schnell, Führungspersonal in strategisch wichtigen Gebieten wie Kundus zu ersetzen.