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Eine Frau in der Army

Christina Bergmann, Fort Meade, MD31. Januar 2013

Hauptfeldwebel Bettina Wordlaw fuhr in der US-Armee Tanklastwagen beim Einmarsch in den Irak 2003. Frauen können genauso gute Soldaten sein wie Männer, sagt sie. Der "kleine Unterschied" sei kein Problem.

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Hauptfeldwebel Bettina Wordlaw macht eine kurze Pause hinter ihrem Truck. Bild aus dem Privatarchiv, April 2003 im Irak (Foto: Bettina Wordlaw)
Bild: Bettina Wordlaw

"Wir mussten das gleiche machen wie die Männer, den gleichen Marsch, den gleichen Rucksack tragen", erinnert sich Hauptfeldwebel Bettina Wordlaw an ihre Grundausbildung in der US-Armee in Fort Jackson. Der 15 Kilometer lange Rucksackmarsch sei schon anstrengend gewesen, aber auch den habe sie geschafft, erzählt sie. Soldatinnen wie Bettina Wordlaw gehören schon lange zum Alltagsbild im US-Militär. Dass sie nun auch Zugang zu Kampftruppen haben sollen, wird in der Öffentlichkeit und auch in der Armee kontrovers diskutiert. Da ist zum einen die Freude, dass Frauen nun die gleichen Chancen haben wie Männer, zum anderen die Skepsis, ob sie den Anforderungen gewachsen sind und nicht die Kampffähigkeit der Truppe schwächen.

Für Hauptfeldwebel Wordlaw ist das keine Frage. Wenn ein Soldat oder eine Soldatin in eine Kampftruppe wolle, dann sollte das möglich sein, unabhängig vom Geschlecht, findet sie. Ob Frauen nicht weniger aggressiv seien, und für den Kampf weniger geeignet, wie die Skeptiker behaupten? "Das glaube ich jetzt nicht", sagt sie auf Deutsch mit schwäbischem Akzent und lacht, "manche Frauen können aggressiver sein als Männer". Es gebe einige, die lieber mit ihr auf den Übungsplatz gehen und Paintball spielen, als im Büro zu sitzen - wo auch ja Männer arbeiten, fügt sie hinzu.

Männer und Frauen trainieren gemeinsam

1987 war die Mutter zweier Kinder in die USA gekommen, als Ehefrau eines US-Soldaten. Als die Deutsche 10 Jahre später die US-Staatsbürgerschaft annimmt, ist sie von der militärischen Begleitzeremonie angetan: "Ich fand es so toll, wie [die Soldaten] mit ihren Uniformen und den Flaggen reingekommen sind, und wie stolz sie dastanden", erzählt sie, und wechselt im Gespräch immer wieder zwischen Deutsch und Englisch. Außerdem fand sie die Ausbildungsmöglichkeiten in der Armee attraktiv. Und so wurde sie Reservistin - und begann am 8. März 2001 ihre Grundausbildung. Die professionelle Routine hat ihr gefallen, und, dass sie alles machen durfte: "Granaten schmeißen, Waffen schießen, Fahnen tragen." Nicht die physischen Anforderungen haben ihr die größten Schwierigkeiten bereitet, sondern das "Armee-Englisch" mit den speziellen Begriffen und Abkürzungen, die sie erst lernen musste.

Von den 35 Mitgliedern ihres Zuges seien acht oder neun Frauen gewesen, erinnert sich die blonde 45-Jährige. Trainiert und gegessen wurde gemeinsam, geschlafen getrennt.

Nach der Grundausbildung konnte Bettina Wordlaw eine spezialisierte Ausbildung wählen. Sie entschied sich, Tanklastwagen zu fahren. Sie lernte, Armeefahrzeuge zu betanken und den Umgang mit gefährlichen Gütern. Zunächst nur als Reservistin einmal im Monat am Wochenende im Einsatz, wurde ihre Einheit im September 2002 aktiviert und im November 2002 nach Kuwait geschickt. Aus dem Wochenend-Job wurde ein rund-um-die-Uhr-Einsatz in einem fremden Land.

Unter Beschuss im Irak

Und im März 2003, zum Beginn des Irak-Krieges, fuhr sie dann, meistens nachts, mit ihrer Kompanie hinter der 3. Infanterie-Division her bei deren Einmarsch in den Irak. Sie konnte hören, wie Bagdad mit Raketen angegriffen wurde und habe schon Angst gehabt, gibt sie zu. "Ich meine, ich war vorher eine Mama, [die ihre Kinder] zum Fußball gefahren hat, das war schon etwas anderes." Aber das Training habe ihr Sicherheit verliehen und sie hätte den leitenden Offizieren vertraut. Gegner des Einsatzes von Frauen in Kampftruppen weisen oft auf besondere Gefahren hin: Habe sie damals daran gedacht, dass sie in Gefangenschaft geraten und dann eventuell vergewaltigt werden könnte? Nein, sagt sie. "Ich glaube, die Möglichkeit besteht auch hier, ob man im Kampf ist oder nicht, man kann auch nach Baltimore gehen und es kann etwas passieren."

Hauptfeldwebel Bettina Wordlaw vor einem Black Hawk Helikopter, Juni 2003 im Irak (Foto: Bettina Wordlaw)
Betttina Wordlaw vor einem Black Hawk-Helikopter beim Einmarsch der 3.Infanterie-Division, Juni 2003 im IrakBild: Bettina Wordlaw

Und wie ist es, auf Menschen schießen zu müssen? Beim Bau einer Brücke gerieten sie im Irak unter Beschuss - und erwiderten das Feuer. "Für mich war das selbstverständlich, wenn ich beschossen werde, dann schieße ich zurück", erzählt Wordlaw, und fährt fort: "Ich bin rüber, um einen Job zu machen, und ich habe mir selbst geschworen, dass niemand ohne Benzin bleibt, das habe ich erfüllt." Sie seien ein knappes Dutzend Frauen gewesen, damals in ihrer Kompanie von über 170 Soldaten. Ingenieurinnen und Lastwagenfahrerinnen, die alle die gleiche Kampfmontur getragen hätten wie die Männer.

Probleme habe es keine gegeben. Allerdings: "Es war ein bisschen kompliziert, manchmal, wenn wir aufs Klo mussten." Wenn der lange Konvoi in der flachen Wüste anhalten musste, konnten die Männer an die Reifen pinkeln. Die Frauen verzogen sich unter die Fahrzeuge - oder die Männer sorgten für die nötige Privatsphäre: "Viele Männer haben uns dann einen Parka hingehalten und weggeschaut", erzählt Wordlaw, "sie haben uns unterstützt und immer eine Lösung gefunden." Einer, ein gelernter Schweißer, habe ihnen sogar eine Toilette gebaut, die sie auf einen Truck laden und mitnehmen konnten.

Dankbar und zufrieden

Wordlaw, die im deutschen Ellwangen geboren wurde und im Raum Aalen aufwuchs, kommt aus einer Familie, die mit dem Militär verbunden ist. Zwei Brüder leisteten ihren Wehrdienst in der Bundeswehr, der Vater war Berufssoldat. Ein knappes Jahr, nachdem sie aus dem Irak zurückkam, hat sich Wordlaw für einen Vollzeitjob bei der US-Armee entschieden, allerdings nicht mehr als LKW-Fahrerin, sondern in der Personalabteilung. Ihre Einheit, die 200. Military Police Command, ist in Fort Meade, Maryland, nördlich von Washington, DC stationiert. Sie findet "Befriedigung und Freude" daran, anderen Soldaten zu helfen. Diskriminierung oder sexuelle Belästigung in der Armee, ein Thema, das in der derzeitigen Diskussion auch immer wieder hochkommt, hat sie selbst nicht erlebt.

Hauptfeldwebel Bettina Wordlaw vor dem Garnisonsschild der 200th Military Police Command Foto DW/Christina Bergmann, Fort Meade, Maryland, USA 29.1.2013
Wordlaw sagt, ihr Vater und ihre Mutter sind sehr stolz auf das, was sie geleistet hatBild: DW/C. Bergmann

Im Gegenteil. Sie ist ihren Vorgesetzten und Mitarbeitern sehr dankbar, dass sie sie in schweren Zeiten unterstützt haben: Ihr ältester Sohn starb vor einem Jahr an einer chronischen Krankheit. Ihre Zukunft sieht Hauptfeldwebel Wordlaw weiterhin bei der Armee. Sie findet es gut, dass Frauen es jetzt leichter haben werden, beim Militär Karriere zu machen. Denn mancher Aufstieg blieb bisher verwehrt, wenn die "offizielle" Kampferfahrung fehlte. Und was sagt ihr Vater, der Hauptfeldwebel a.D. der Bundeswehr, der für die NATO gearbeitet hat und in Frankreich stationiert war, zum Beruf seiner Tochter? "Der ist so stolz auf mich", sagt Bettina Wordlaw und strahlt über das ganze Gesicht, "genau wie meine Mutter."